SUMMERTIME. and the cotton is..., Pouring XII. Acryl, Silikonöl, Schokoladenpapier, Crémantmanschetten, Kleber, Rahmenrückw., 29. August 2019, 41 x 52 cm, Staatliche Museen von Gaganien
Mir ist bekannt, dass Winter ist. Einer mit viel Regen, so dass ich noch nicht einen dicken Wintermantel aus meiner Truhe geholt habe, sondern fast jeden Tag mein schwarzes Kapuzen-Lackmäntelchen trage. Mir persönlich ist es kalt genug, Schnee wird auch nicht benötigt. Wenn ich herumwerkle, beschwöre ich lieber die blühenden Jahreszeiten. Ein flirrendes Spätsommergrün mit goldenen Einsprengseln. Wie in Augusttagen. Das Bild hängt in meinem Atelier, links vom Küchenfenster, in der gelbgrünen Ecke.
g a g a - 27. Januar 2022, 13:00
MARE. Am Straßenrand Gips- Ecke Joachimstraße ausgesetzter, aufgegabelter, Holz-Rahmen mit Papprückwand ohne Scheibe, zwei ausgesparte Fragmente von darüber gespanntem, gebatiktem Baumwollbatist-Halstuch von Berliner Wochenmarkt Neunziger Jahre, Grundierung, sieben Aquarellpapierfragmente, Wasserfarbe, Tinte, Raufaserspachtel, Kupfer- und Goldacryl, Pappkringel, Spiegelscherben, Kleber, Bohrlöcher, Flambierbrenner, 25. und 26. September 2021 und 2., 3., 9., 10., 15., 16., 17., 23., 24., 29., 30. und 31. Oktober 2021, 61 x 91 cm, Staatliche Museen v. Gaganien

g a g a - 26. Januar 2022, 21:30
Die folgende Stelle gefällt mir auch noch ganz gut, weil ich mir schon mehrmals im Leben dachte, dass es sich genauso verhält. Nämlich die ganze Wahrheit einer Begebenheit, häufig so komplex verschlungen und auch auf absurde Art überaschend oder ungefällig bis bizarr ist, dass es sich in einem Roman oder als Drehbuch wie übertrieben fabuliert anhören müsste. WEIL wir an vereinfachte Geschichten gewöhnt sind. Leicht konsumierbar geglättet und abgeschmirgelt, ohne Grautöne. Schwarz-weiß plakativ, für schlichte Gemüter verstehbar. Und vielleicht rührt daher die Erwartungshaltung, dass unser Leben sich gefälligst leicht verständlich, eindeutig und unwidersprüchlich gestalten möge. In der Liebe und bei Karriereplänen und in der Erziehung und überhaupt. Hier also ein letzter kleiner Auszug aus Capotes „Erhörte Gebete“:
»(…) Seine Erzählungen sind immer realistisch, sogar wenn sie abgründig sind - wie ‘Das ungeheure Radio‘ oder ‘Der Schwimmer‘.« Woodrow war vergnatzt: »Wenn es wahr ist, und das ist es, warum sollle es dann niemand glauben?« »Wenn etwas wahr ist, so heißt das nicht, dass es überzeugend ist, weder im Leben noch in der Kunst. Denk an Proust. Würde die Suche nach der verlorenen Zeit so wahr klingen, wie sie es tut, wenn er sich buchstabengetreu an die historischen Umstände gehalten hätte, wenn er nicht das jeweilige Geschlecht, die Ereignisse, die Namen abgewandelt hätte? Wenn er sich strikt an die Tatsachen gehalten hätte, wäre sie weniger glaubwürdig gewesen, aber« - ein Gedanke, der mir oft durch den Kopf gegangen war - »vielleicht besser. Weniger leicht verdaulich, aber besser.« Ich entschied mich doch für noch einen Drink. »Das ist die Frage: ist die Wahrheit eine Illusion. Oder ist Illusion Wahrheit, oder sind sie im Grunde ein und dasselbe? Ich meinerseits, mir ist völlig egal, was jemand über mich sagt, solange es nicht wahr ist.«
Truman Capote, "Erhörte Gebete", dt. Heidi Zerning, Kein & Aber Pocket, S. 64
g a g a - 26. Januar 2022, 13:35
Kleine Boshaftigkeiten, wie die nachfolgend aus Capotes „Erhörte Gebete“ zitierten, können durchaus unterhaltsam und mitteilenswert sein. Nicht wegen Freude an der Herabwürdigung der beschriebenen Damen, deren Wahrheitsgehalt ich ohnehin nicht prüfen kann, sondern wegen der mit viel Liebe zum Detail gewählten Beschreibungen. Mir fiel zum Beispiel auf, dass ich das Wort „hochmütig“ niemals benutze, wo es doch so manches mal ganz vorzüglich passen würde. Ich will von nun an daran denken!
»(…) Während die Gäste sich auf Boatys Rosshaarsofas niederließen, kam ich zu dem Schluss, dass von den Dreien Estelle Winwood, eine Schauspielerin Anfang Sechzig, die Umwerfendste war. Parker - sie sah aus wie eine Frau, der man in der U-Bahn sofort seinen Sitzplatz anbietet, ein verletzliches, nur dem Anschein nach hilfloses Kind, das eingeschlafen und vierzig Jahre später wieder aufgewacht war, mit verquollenen Augen, falschen Zähnen und einer Whiskyfahne. Und Bankhead - ihr Kopf war zu groß für ihren Körper, ihre Füße dagegen zu klein; außerdem war ihre Persönlichkeit zu stark, um in ein Zimmer zu passen: sie brauchte einen Zuschauerraum. Aber Miss Winwood war ein exotisches Geschöpf - schlangenschlank, aufrecht wie eine Schulleiterin, trug sie einen riesigen, breitkrempigen schwarzen Strohhut, den sie den ganzen Abend über nicht abnahm; die Krempe dieses Hutes verschattete die Perlenblässe ihres hochmütigen Gesichts und verbarg, wenn auch nicht allzu erfolgreich, die Bosheit, die schwach in ihren lavendelblauen Augen glomm.(…)«
Truman Capote (über eine private Essenseinladung mit u. a. Dorothy Parker, Tallulah Bankhead u. Estelle Winwood), "Erhörte Gebete", dt. Heidi Zerning, Kein & Aber Pocket, S. 132
g a g a - 25. Januar 2022, 13:35