Am Samstag, dem 12. Dezember 2020, fiel mein Blick aus der BalkontĂŒr Richtung Norden, auf den höchsten Baumwipfel. Dort balancierte ein Vogel. Ich musste an die Vögel aus buntem Glas aus den Sechziger Jahren denken, die man an WeihnachtsbaumĂ€ste klemmte, und ĂŒberlegte, ob es auch eine Weihnachtsbaumspitze in Vogelform gibt, oder ob da immer nur Engel thronen dĂŒrfen. Immerhin auch gefiederte Wesen, aber nicht ersten Ranges in der irdischen Welt, da weniger materialisiert und auch etwas strittig und nicht so unwiderlegbar erfahrbar.
Ich fand den echten Vogel auf dem echten Baum da drauĂen viel beeindruckender. Mich beschĂ€ftigte, ob die souverĂ€ne Balance auf diesem sehr, sehr hohen Baum, deshalb so souverĂ€n ist, weil der Vogel - eine Elster, wie ich beim VergröĂern erkannte - weiĂ, dass er nicht abstĂŒrzen wird, weil er fliegen kann. Ja natĂŒrlich, so ist es. Sonst wĂŒrde er bestimmt ein biĂchen zittern und die Balance wĂ€re in Gefahr. Wenn man auf den festen Boden vertraut oder darauf, weich zu landen, braucht man vermutlich viel weniger FlĂ€che, weniger Raum, um die Balance zu halten, als man vermeintlich glaubt, wenn man weiĂ, dass der Raum sehr begrenzt ist.
Könnte das nicht bedeuten, dass man zu riskanteren Bewegungen, zu einem gröĂeren Radius fĂ€hig ist, wenn man keine Furcht hat? Ich glaube, so ist es. Das ist metaphorisch sehr spannend und geradezu aufregend. Wenn man keine Angst vor irgendetwas hat, ist man zu einem grenzenlosen Bewegungsradius fĂ€hig. Das möchte ich gerne verinnerlichen.
