12. Juni 2020



Gestern war ich zum ersten mal seit Ende Februar wieder verabredet und gleich todesmutig in einem Restaurant, nämlich der guten alten Paris Bar. Ina hatte ich zuletzt einen Tag vor Silvester getroffen, über sechs Monate, schon arg lange, im Vergleich zur Dichte unserer Verabredungen in den vergangenen Jahren. Wir bekamen den sehr schönen Tisch rechts von der Eingangstür, in der lauschigen Ecke am Fenster, mit der gepolsterten Bank, wo ein imposantes Foto von Michel Würthle als Papst steht, und der, wie gewohnt, als fester Teil des Interieurs auch persönlich da war. Zu ihm erzählte ich Ina, die schon näher mit ihm zu tun hatte, eine lustige Beobachtung, die sie noch nicht kannte.

Eine jüngere Autorin hat ein Buch über Ingrid Wiener verfasst, eine aus Wien stammende autodidaktische Köchin und Web*künstlerin, die im Berlin der Siebziger und Achtziger Jahre viel Erfolg mit dem Restaurant Exil hatte, in dem u. a. auch Michel und ihr Mann Oskar Wiener zur festen Truppe gehörten. Das von den Dreien gegründete und bewirtschaftete Lokal am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer, wurde zum beliebtesten und kultigsten Berliner Prominenten- und Künstlertreff, ähnlich wie später die Paris Bar. Im Zuge der Recherche traf die junge Autorin nun verschiedene Weggefährten aus dem ehemaligen Dunstkreis von Ingrid Wiener (übrigens die Stiefmutter von Sarah Wiener), somit also auch unseren guten Michel.

Wenn man ein bißchen über Michel Würthle recherchiert, findet man eine ganze Reihe Zeitungsartikel und Interviews über ihn, und ab und zu wird beiläufig erwähnt, dass er daheim, in seinem malerischen Kreuzberger Künstleruniversum über dem ehemaligen Exil, üblicherweise Nescafé, also mit heißem Wasser aufgegossenen Instantkaffee trinkt, den er auch Gästen anbietet. Was natürlich ein wenig überrascht, weil man ihm als hochkultivierten Bon Vivant doch anheimstellen wollen würde, dass nur beste Kaffeebohnen mit speziellen Röstverfahren aus professionellen, italienischen Traditionskaffeemaschinen in die Kaffeetasse kommen. Oder doch wenigstens Kaffeehausklassiker- oder gar -spezialitäten aus der Wiener Heimat. Ein schöner Einspänner vielleicht. Ein "Kaffee Maria Theresia" womöglich gar.

Nun hatte auch Ina bereits mehrfach Gelegenheit, seine heimische Kaffeetradition zu studieren und konnte bis dato keine Abweichung vom erwähnten Instantkaffeepulver beobachten. Wer sich schon mal Nescafépulver aufgegossen hat, wird bestätigen, dass das Getränk zwar Koffein beeinhalten mag und eine braune Farbe hat, aber unverkennbar anders als frisch gebrühter Bohnenkaffee schmeckt. Es ist eben ein Getränk mit einem ganz eigenen Aroma.

In das Buch, dessen Titel mir gerade entfallen ist, hat die junge Autorin auch ein Danksagungskapitel eingearbeitet, wo sie sich neben vielen Anderen auch bei Michel für die schönen Treffen bei ihm daheim und vor allem den SEHR GUTEN KAFFEE MIT DER KARDAMOM-NOTE bedankt. Ich befragte Ina, ob sie es für möglich hielte, dass er in der jüngeren Zeit eine spezielle Rezeptur und etwas raffiniertere Kaffee-Kultur entwickelt haben könnte. Immerhin ist der Zusatz von Kardamom zum Kaffeepulver im Libanon sehr verbreitet. Und man ist ja auch in fortgeschrittenem Alter mitunter noch neugierig und experimentierfreudig, warum nicht bei der Kaffeezubereitung. Ina musste sehr lachen.

Also wir saßen sehr gut, um solcherlei Gespräche zu führen und hatten sogar den Eindruck, dass die Tische mit dem größeren Abstand geradezu ideal stehen. Zu früheren Zeiten war es schon sehr dicht an dicht, und immer eine gewisse Gefahr, beim Aufstehen die Gäste am Nachbartisch anzurempeln. Wenn es mit den enger gestellten Tischen auch schneller vertraulich wird, und die Unterhaltung vom Nachbartisch gerne mal launig übergreift. Was auch Schönes hat. Aber gestern waren wir uns erst einmal genug. Es gab viel zu erzählen,

Wir hatten beide richtig Hunger und Lust auf das Entrecôte mit Frites und Béchamel und grünen Bohnen. Ausnahmsweise trank ich mal keinen Wein, sondern zwei Königs Pilsener, die dort klassisch in vernünftigen Gläsern serviert werden. Da bin ich ja empfindlich. Diese Unkultur aus einer Bierflasche zu nuckeln, ohne sich akut im Rippenunterhemd auf einer Baustelle zu befinden, ist mir befremdlich, um nicht zu sagen, es stößt mich ab. Da bin ich sehr altmodisch und konservativ. Wir wurden gut umsorgt gestern, es war angenehm. Ich werde immer empfindlicher, was die Qualität offener Weine in Lokalen angeht, und eine ganze Flasche von einem richtig guten Wein bestellen, kommt einem oft so teuer vor, obwohl es dann unterm Strich nicht mehr kostet, als sechs einzeln bestellte Gläser.

Aus dem Augenwinkel sah ich Wolfgang Joop nach draußen in die späte Abendsonne treten, er wirkt jetzt im höheren Alter vom Blick her altersmilde, verglichen mit früher, irgendwie weicher. Ein Buch von ihm, sein letztes, "Die einzig mögliche Zeit", liegt seit Monaten auf meinem kleinen Stapel ungelesener Bücher. Ich mag seine Schreibe sehr.

Ina wollte mich eigentlich unbedingt gerne heimfahren, aber als wir gerade beim Aufbruch waren, stand plötzlich ihr Vertrauter und mir auch Bekannter an unserem Tisch und hatte sich ruckzuck auch schon einen Grünen Veltliner bestellt und lächelte uns gesellig an. Ich war jedoch schon etwas bettschwer und räumte gerne den Platz für eine weitere Runde der beiden. Ich wäre die Letzte, die jemanden zum Aufbrechen nötigt, wir sind ja nicht verheiratet. Mir sind eher Leute suspekt, die wegen ihrer gewohnten Schlafenszeit vor Mitternacht eine gesellige Runde verlassen. Aber das ist ja alles typbedingt und individuell. War eher untypisch für mich, dass ich gestern schon um halbzwölf in Stimmung war, heimzufahren.

Mit der S-Bahn habe ich eine unkomplizierte Verbindung von dieser Ecke in Charlottenburg zu mir heim nach Mitte. Vom Bahnhof Zoo direkt durchfahren bis zum Hackeschen Markt, elf Minuten Fahrzeit. Kann man nicht meckern. Fotos wurden gestern nicht gemacht, ich habe aber zwei alte Aufnahmen gefunden, auf denen ich anhabe, was ich gestern auch anhatte, das Fransenoberteil und ein Mäntelchen mit gewebten Ozelotmuster. Fotos von früher eben, 16. September 2015 und 3. Juni 2016. Zweimal anziehen ist okay.



*)"Web" wie Webstuhl

11. Juni 2020



Die Ankündigung dieser nun wirklich bildschönen, arglosen Postkarte hat vor wenigen Tagen einen Anflug von Panik bei mir ausgelöst. In einer E-Mail wurde mir wörtlich mitgeteilt: „Es ist Post an Dich unterwegs“. Nun ist „Post“ ja ein dehnbarer Begriff.



Da in den letzten Monaten zwischen der Absenderin und mir mehrere Postkarten, und zwar AUSSCHLIEßLICH Postkarten hin- und hergeschickt wurden, bastelte meine Phantasie aus dem Begriff „Post“ eine Sendung, die von einer Postkarte abweichen könnte, und im schlimmsten, aller- allerschlimmsten aller Fälle ein Päckchen sein könnte, das nicht in meinen Briefkasten passt. Dieses Szenario ist für mich ein echtes Problem. Ich bin sehr interessiert zu vermeiden, dass Päckchen an meine Privatadresse geschickt werden, weil ich – sofern ich überhaupt tagsüber da bin, was unwahrscheinlich ist – sehr ungern meine Wohnungstür öffne, wenn jemand klingelt, mit dem ich mich nicht verabredet habe. So ungern, dass ich es tatsächlich niemals mache, außer, die Feuerwehr würde an meine Tür hämmern, weil die Hütte brennt oder unter Wasser steht. Postzusteller neigen dann fast ausnahmslos dazu, bei Nachbarn zu klingeln, um ein Päckchen oder Paket loszuwerden.

Meine nicht zu kleine Sozialphobie lässt mich den gesamten Vorgang, bei Nachbarn klingeln zu müssen, die mit privater Post für mich behelligt wurden, als eine superstressige Situation empfinden. Obwohl es nette Nachbarn sind, aber ich bin nicht mit ihnen befreundet. Mir ist das geradezu peinlich, auch wenn die Post selbst ganz unpeinlich ist. Ich möchte die Leute nicht in ihrer Privatsphäre mit solchen Handreichungen beeinträchtigen, so wenig, wie ich Päckchen für andere entgegennehmen möchte. Selbiges gilt auch für meine Werkstattadresse.

Auch möchte ich aber nicht zu einem Postamt gehen müssen, um ein Päckchen abzuholen, das empfinde ich als sehr umständlich und zeitraubend. In meiner gestörten, leicht psychopathischen (Asperger-?) Welt, gibt es kaum einen Päckcheninhalt, der so wünschenswert wäre, dass ich mich dieser Situation aussetzen wollte. Dann würde ich ein Päckchen noch lieber bei einer Packstation auf meinem Weg abholen, aber auch das ungern. Es sind halt alles Umwege, die ich nicht eingeplant habe oder nicht einplanen will.

Deswegen wünsche ich mir von allen lieben Menschen und Freunden bitte keine Päckchen, aber bitte immer wieder gerne eine kleine Postkarte. Nun werden sich einige fragen, ob ich denn niemals nicht im Internet Sachen bestelle. Diese Frage kann ich ganz klar mit „doch, doch, dauernd und nicht zu knapp“ beantworten. Zum Beispiel maßangefertigte Bilderrahmen. Aber die lasse ich an eine ganz bestimmte, streng geheime Poststelle schicken, wo die Mitarbeiter informiert sind, und die kriegen schon genug Päckchen, die ich selbst verursacht habe, das würde ich gerne eher reduzieren als ausweiten.

Ich muss das einfach einmal für alle hier kommunizieren, weil ich sonst noch einmal jemanden enttäuschen muss, wie neulich Jenny, die mir, liebreizend wie sie ist, etwas Gutes tun wollte. Aber ich freu mich total, das zurückgegangene Päckchen bald von ihr persönlich zu bekommen. Es tut mir echt leid, dass sie es nicht mehr umlenken konnte… Ich habe ja neulich zu allem Überfluss auch noch meinen Namen (nach dem Schlüsseldiebstahl) vom Klingelschild entfernt, jetzt findet mich ein Paketbote gar nicht mehr, sicher ist sicher! Nur unser Briefträger kennt meinen Briefkasten im Haus und bringt mir so schöne Postkarten wie diese hier.

Ich war also unglaublich erleichtert, dass es nur eine Postkarte war, die an mich geschickt wurde, noch dazu eine so schöne. Aber dann hatte ich wieder Stress! Gestern Abend war ich nicht in meinem Atelier, weil ich mich lustlos fühlte, da ich gerade an einer Skulptur arbeite, vor deren weiterer Bearbeitung ich mich seit zwei Tagen drücke, da dies langweilige, feinmotorische Arbeitsschritte erfordert, die eigentlich jeder machen könnte, der Routine im Blattvergolden hat. Es muss auf mehrere Schlangenlinien an einer Säule penibel genau an den Linienkanten Anlegemilch aufgepinselt werden und dann das Blattgold draufgelegt. Ich kann das im Schlaf, aber es ist so langweilig. Ein elendes Gefummel. Ich hätte da gerne einen Assistenten, der das für mich macht und ich segne dann das (bitteschön perfekte) Ergebnis ab.

Kollidiert allerdings auch wieder mit meiner Sozialphobie. Ich möchte keine Mitarbeiter in meiner Werkstatt haben. Also nur theoretisch, aber nicht praktisch. Ein Dilemma. Also warte ich nun, bis ich mal wieder Lust auf so ein Gefrickel habe, eventuell am Freitag oder Samstag oder Sonntagabend unter Drogen (Alkohol).

Somit habe ich mich gestern auch darum gedrückt. Und dann komme ich gegen Halbacht heim, und da wartet diese sehr schöne Karte im Postkasten. Der nächste Stress war vorprogrammiert, da ich mir mit hoher (um nicht zu sagen hysterischer) Disziplin zur Aufgabe gemacht habe, immer möglichst flink ein auf das Motiv abgestimmte Foto vom Empfang der Karte (mit mir selber) zu machen. Also musste ich, anstatt faul herumzuliegen, möglichst noch bei Tageslicht Fotos machen. Jedoch im ersten Schritt muss das korrespondierende Outfit im Kleiderschrank und in der Schmuckschatulle gefunden werden. Und in diesem speziellen Fall musste ich auch noch umfrisiert werden! Oh je. Danach war mir gar nicht! Ich fühlte mich auch nicht sehr fotogen gestern, setzte mich aber dennoch der Chose aus, da ich die Sache auch sportlich sehe, und aufgeschoben wäre ja nicht aufgehoben.

Es zeichnete sich gestern Abend bereits ab, dass ich heute keine Zeit für eine Fotosession und den ganzen Klimbim finden würde. Ich bin nämlich heute Abend zum Essen verarbredet, zum ersten mal nach vielen Monaten. Also habe ich noch gestern geguckt, ob ich ein goldenes Halscollier finde und die Frisur halbwegs hinbekomme. Ich fand tatsächlich zwei goldene Glitzercolliers und ein paar Klamotten, die farblich passten.



Nur die vorschriftsmäßige Frisur gefiel mir nicht sonderlich an mir. Ich fand, ich sehe wie eine alte Jungfer aus, und dass die Frisur einfach alt macht! Deswegen habe ich von den schnell gemachten Fotos fast alle wieder gelöscht. Und das was man hier sieht, ist nun übrig geblieben. Ich habe mir gestern gar nicht gefallen, aber drücken gilt nicht. Deshalb nun hier der vorschriftsmäßige Eintrag zur gestrigen Postkarte, für die ich mich abermals sehr bedanke und die zum Glück kein Päckchen war!!! Tausend Dank dafür!



Mumienporträt einer Frau, zweites Jahrhundert nach Christus, Holz, bemalt, Prinz Johann Georg-Sammlung des Kunsthistorischen Instituts Mainz

10. Juni 2020

Ich habe Blutgruppe A Rhesus negativ. Welche habt ihr?

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Doku
17.11.25, 21:51
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Ruth Rehmann hatte...
17.11.25, 18:42
kid37
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Margarete 16. November...
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Saskia Rutner Das...
13.11.25, 22:05
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Margarete 12. November...
13.11.25, 00:01
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Margarete 12. November...
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Afall 12. November...
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