09. Januar 2015



Ungefähr um Neunzehnhundertzweiundachtzig, also vor dreiunddreißig Jahren, ich war ungefähr siebzehn, und an einer Sprachenschule, vertrieb ich mir die Unterrichtsstunden damit, meine Lehrer und Lehrerinnen und meine Mitschüler und Mitschülerinnen mit den Stiften aus meinem Federmäppchen in mein Schulheft zu malen. Das waren böse Bilder, obwohl ich mich dabei ganz lustig fühlte. Es waren aber keine Bilder, die ich in jedem Fall, denen die drauf waren, gezeigt hätte. Nur bei Athena, meiner griechischen Freundin und Banknachbarin war ich immer zeigefreudig, weil ich sie (also A.) so schön fand und das auch einfangen wollte. Die anderen hatten andere auffällige Merkmale, über die sie sich nicht so gefreut hätten, wenn man sie ihnen unter die Nase gehalten hätte. Es war aber natürlich auch gemein von mir, dass ich Athena die Bilder, sie saß ja außerdem immer daneben, wenn ich gekritztelt habe, gezeigt habe und wir uns darüber amüsiert haben. Es gab auch noch ein oder zwei andere Mitschülerinnen, die mal das eine oder andere Bild sehen durften, aber im Großen und Ganzen war es streng geheim und ein großer Spaß, der den langwierigen Unterricht verkürzt hat. Trotzdem ist vom Unterricht was hängengeblieben. Obwohl, in Französisch habe ich mich wohl doch mehr auf die eine oder andere Frisur konzentriert. Man sieht ja auch viele Köpfe von hinten, in so einem Klassenzimmer. Ich habe schon wieder vergessen gehabt, dass ich die uralten Kritzeleien auf meiner Seite hochgeladen habe, es sind sogar noch mehr, auch irgendwelches Tagebuchgekritzel. Seit gestern geht mir alles Mögliche durch den Kopf. Ich weiß, wie es sich anfühlt, zur eigenen Unterhaltung auf ein Stück Papier zu kritzeln. Um etwas zu erleben, was sich vom Alltag unterscheidet, weil man selber oft nicht genau weiß, ob am Ende etwas rauskommt, was einen selber amüsiert oder interessiert oder einem einfach nur die Zeit vertreibt. Und andere vielleicht auch zum Lachen bringt. Auch wenn es manchmal ein bißchen gemein ist. Ich war ja auch noch sehr jung. Heute ist das für mich nicht mehr interessant, ich wundere mich eher, dass ich das gezeichnet habe. Man hat eben so Entwicklungsphasen. Ich konnte auch naturalistische Portraits zeichnen, wenn ich manchmal, eher selten, den Ehrgeiz hatte. Dann wunderte sich die Umgebung, woher ich das könnte. Ich fand es gar nicht schwer, weil ich dachte beim Zeichnen immer nur o.k. ich schaue mir jetzt diese Linie vom Kopf an und übertrage die dann auf das Papier. Eine nach der anderen. Wie Abpausen eigentlich. So kam es mir vor. Ich hatte nur ein gutes visuelles Gedächtnis und konnte das auf meine Hand und den Stift übertragen. Später ließ ich das Zeichnen fast ganz und wollte lieber malen. Habe ich dann auch gemacht. Das war etwas ganz anderes. Kein Abpausen der Wirklichkeit. Abtauchen in geheimnisvolle Bewusstlosigkeit. Erst gestern Abend, als ich die Bilder von der Redaktion mit den Blutflecken und die Portraitfotos der Karikaturisten gesehen habe, ist so richtig zu mir durchgedrungen, wie sehr es meinesgleichen war, wer darauf zu sehen war. Da habe ich geweint wie ein hilfloses Kind. Als ich heute früh mit nassen Haaren aus der Dusche gekommen bin, ins Wohnzimmer zur Musikanlage, wo ich nie weiß, welches Lied als erstes kommt, weil ich den Zufallsmodus drinhabe, kam das Agnus dei von Mozarts Requiem. Das ist noch nie gekommen. Und selbst wenn, hätte ich es an einem Freitagmorgen bestimmt nicht passend gefunden, aber es war schon bei den ersten zwei Takten genau das Richtige. Ich habe es laufen lassen, und es war wie ein Gottesdienst. Ich war noch den ganzen Tag über heute traurig und wie erschöpft. Deswegen war es sogar gut, dass ich tagsüber in Ruhe etwas Langwieriges zu tun hatte, das beharrliche Konzentration erforderte, ohne die weitere Berichterstattung zu lesen. Meine Fassungslosigkeit hat keinerlei Worte. Ich widme meine kindischen Schulheftkritzeleien den ermordeten Zeichnern.

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