29. Dezember 2011

Unterwegs in Berlin. Unterwegs in Australien. Unterwegs in Osttimor. Unterwegs im Wohnzimmer. Unterwegs im Kopf. Unterwegs in den Wolken. Unterwegs auf dem Teppich. Unterwegs im Herz. Farin macht das gut. Er fokussiert mit den Augen und drückt mit dem Herzen ab. Aus diesem Grund macht er das gut. Ich habe seine Bilderbücher gerne, auch wegen der kleinen Geschichten von unterwegs. Weil er als Musiker bekannt ist, ist er ab und zu dem Angriff ausgesetzt, dass er mit seinen Bildern nur deswegen professionelle Aufmerksamkeit bekommt, weil seine ergebene Fangemeinde hypnotisiert alles erwirbt, was er produziert, und er deshalb für den Verlag und für Lumas ein verlässlich lukrativer Künstler im Repertoire ist. Von den Lumas-Editionen will ich gar nicht reden, aber die Bildbände sind mit sehr viel Liebe gemacht. Ohne berufsglobetrottermäßigen Anspruch auf Vollständigkeit, gemäß seiner ganz persönlichen Reiseroute und Dramaturgie. Das erwarte ich vor anderem von so einem Bildband.


Foto: Farin Urlaub

Auch wenn er selbst selten zu sehen ist. Man sieht, worauf es ihm ankommt und damit erweckt er sofort mein Vertrauen. Gerne könnte es auch noch persönlicher sein. Der Film aus der Kamera und auch der Film aus dem Kopf. Aber das war ja nicht der letzte Streich. Vorausschauend hatte er gleich sein Erstlingswerk mit der Nummer Eins untertitelt. Nun macht er zum Glück sowieso immer weiter, weil er gar nicht mehr anders kann - so sehr wie er Blut geleckt hat - auch ohne den gnädigen Segen der ausgebildeten und spärlicher mit Erfolg gesegneten Kollegen. Tatsächlich zeichnet es die bemerkenswerteren unter den Kunstschaffenden aus, dass sie kein Diktat des Mediums hinnehmen, sich jegliches zueigen machen. So wie Kinder keinerlei Begrenzungen in ihrem Spieltrieb mögen. Und wenn er morgen anfinge, großformatig zu malen, hätte jede Leinwand seine furiose Farin Urlaub-Handschrift.



Abgesehen davon meine ich durchaus, dass sich in der Handschrift sehr viel von der Kraft und des Potenzials eines Menschen andeutet. Und das begreife ich nicht im engeren Sinne graphologisch. Na gut, vielleicht im weiteren. Aber Wagemut, Kraft und Impulsivität zeigt sich in jedem Strich. Bei jeglichem Gekritzel. Kühner Strich, kühnes Herz. Nein, nein, ich meine keine prätentiösen Angeber-Poser-Kringel. Straight. Um ganz ehrlich zu sein, kann der Eindruck einer Handschrift großes Misstrauen bei mir erregen. Gefährlich sind übertrieben große, bauchige Unterschlaufen. Und auch ausgezirkelt extra große Oberschlaufen wie Luftballons. Nicht die Sorte, die eben auch mal zwischendurch groß wird, weil das Herz beim Schreiben gerade heiß war, sondern aus kultiviertem Prinzip. Ich habe das bei Menschen beobachtet, die gerne mehr in der Welt darstellen wollen, als die Substanz real ermöglicht. Mir auch sehr suspekt, angepasste, ewig gleichförmige kringelige Kleinmädchen-Schriften wie brave Häkelborten. Mit solchen Menschen kann ich keinen Draht finden. Nicht von Herzen. Und nicht vom Geist. Ich glaube ganz sicher, dass sich visionäres Potenzial in jeder Lebensregung und -bewegung Bahn bricht. In jedem Kringel und jedem Krakel. In jedem Strich und jedem Punkt.

28. Dezember 2011

Hey, ich war im Schwimmbad. Leider hab ich meinen Badeanzug vergessen und durfte nur am Beckenrand stehen und zugucken. War aber auch schön. Ich traue mich sowieso nicht vom Turm springen, wie die anderen. Toll, wie die das machen. Ich schaue aber gerne zu. Trauen würde ich mich das nie. Nie im Leben! Der Schwimmkurs, wo ich elf war, hat mir gelangt. Ich kann aber trotzdem ganz gut schwimmen. Am liebsten im Meer. Ganz weit raus. Und ganz allein. Bis man fast schon ein bißchen Kribbeln hat, ob es nicht zu weit ist, weil man muss ja auch noch zurück. Hab es bis jetzt aber immer geschafft. Lange her, dass ich am Meer war und drin geschwommen bin. Die ganzen letzten Ost- und Nordseeferien war mir immer das Wasser zu kalt. Ich bin da zimperlich. In einer sizilianischen Bucht war es schön. Und in ein paar griechischen. Bestimmt fahre ich bald wieder einmal ans Meer. An eins zum Schwimmen. Weil ich ja spare. Ich bin ganz schön gut darin und muss mich selber loben, so zum Jahresende.



Normalerweise kann und darf man ja gar keine Schwimmbad- oder Freibadfotos machen, ohne dass man sich komisch oder zurecht peinlich vorkommt. Aber das war ein besonderer Tag. Alle haben den Schwimmern und Springern begeistert zugeguckt. War nämlich auch ISTAF. Obwohl im Olympiabad gar kein Wettbewerb war, sondern normales Sommerfreibad. Man kann aber toll zugucken vom Olympiagelände, und das ist einfach schön, bei so einem Badewetter. Man fühlt sich gleich erfrischt, an einem heißen Sommertag in Berlin. Kleiner anachronistischer Eintrag, aber chronologisch. Mir ist jedes Wetter recht. Inzwischen. Früher war ich da auch mäkelig und hatte Befindlichkeiten. Aber seit ich weiß, dass Gesundheit viel wichtiger ist als Badewetter, finde ich alles gut, was da draußen so vor sich geht. Was sich der Wettergott so überlegt. Ich bin gewappnet. Hauptsache, ich kann selber bestimmen, ob ich vor die Tür gehe zum Spazierengehen. Das ist das Allerwichtigste. Ich gehe nämlich nie spazieren, wenn es kalt ist. Weil es mir nicht gefällt und ich weinen muss. Wegen der Kälte auf den Augäpfeln. Deswegen ist jetzt wieder Sonnenbrillenwetter für mich. Wenn jemand bei unter zehn Grad eine Frau, die mir ähnlich sieht durch Mitte laufen sieht, mit Brille auf der Nase, weil wieder der gute alte Ostwind weht, bin ich es.

26. Dezember 2011

Tief eingetaucht in Veras Lebenslauf. Manche Tagebuchgedanken und Erkenntnisse über das eigene Schicksal, die Bestimmung, auch im Privaten, so verblüffende gedankliche Parallelen, dass ich sie einerseits hier hinschreiben wollte, andererseits die ungeschützte Darbietung scheue. Als ob der Vorhang vollkommen beiseite gezogen ist, warum die Faszination von Anfang an für mich so groß war. Dieses zutiefst Vertraute. Nun leben wir beide in Berlin, äußerst zurückgezogen, auslotend und transformierend mit der eigenen Biographie beschäftigt. Zunehmend heiter [...]. Ziemlich verrückt. Wer Ihre alten Einträge in dem Buch lesen würde, könnte auf diesem Umweg begreifen, wie ich in Vielem ticke. Als ich auch noch las, dass die Insel Spetsai eine besondere Bedeutung hatte in ihrem Leben, in einer tiefen Krise, war ich nur einmal mehr fasziniert. Diese griechische Insel, die mir Anfang der Neunziger etwas bedeutete, kennt niemand, dem ich je begegnete. Sie hatte dort einen entscheidenden Unfall. Einen frei gewählten Sturz von dem die Narbe an ihrem Kinn rührt. Danach wurde vieles leichter.



Davor war ich auch sehr bewegt von einem Buch. Und noch vor jenem las ich Friedrich Holländers Von Kopf bis Fuß, aus dem ich manches zitierte. Seit vielen Jahren hatte ich noch ein zweites Buch von ihm im Regal, beide lagen seit Ende der Neunziger dort, nur kurz angelesen und beiseite gelegt, anderes vorgezogen und beide vergessen. Es war nicht die richtige Zeit, als ich sie kaufte, mir fehlte die Konzentration. Jetzt hatte ich sie. Das Buch nach Holländers Erinnerungen war ein Roman, den er 1941 schrieb, in der deutschen Übersetzung heißt er Menschliches Treibgut. Dieser Roman, zehn Jahre nach der Emigration über Paris nach Amerika geschrieben, hat mich tief bewegt. Ich hätte gar nicht gewusst, was ich daraus zitieren sollte. Der Venedig-Effekt. Man ist dort und legt den Fotoapparat nieder, weil man der Flut der Eindrücke nicht Herr wird. Was soll man zuerst belichten. Jeden Schritt, 360 Grad? Holländer schrieb das Buch auf Englisch (Those Torn from Earth), er suchte die Herausforderung mit der Sprache, aber ich las es auf Deutsch, eine sehr gute Übersetzung, die erst nach seinem Tod entstand. Und sein Ton ist wunderbar getroffen. Eine warme Empfehlung. Mehr noch als seine Autobiographie. Obwohl diese mir noch transparenter und zugänglicher machte, in welchem Ausmaß er über diese Schicksale aus eigener Erfahrung schrieb. Im Nachwort zu Menschliches Treibgut von Volker Kühn, werden die fiktiven Figuren erhellt. Wer sich dahinter verbarg. Für fast jeden Protagonisten gab es das Vorbild eines Emigranten aus Holländers Umfeld. Thomas Mann schrieb betroffen das Vorwort.



Und nun liegt ein schwerer Brocken vor mir, Albert Speers Erinnerungen, nach der Veröffentlichung 1969 innerhalb kürzester Zeit ein Bestseller. Vieles wurde später in Frage gestellt, was er zu seinen Gunsten darstellt. Einer der wenigen Nazis im Büßergewand, dem man nachsagt, er hätte sein Bedauern so geschickt in den Fokus gestellt, dass viele Fakten zu seinen Ungunsten, die er unter den Teppich kehrte, gerne verdrängt wurden. Die Deutschen brauchten nach dem Krieg eine Identifikationsfigur wie Speer. Einen guten Nazi. Dann konnte man auch sich selbst vergeben, wenn er sich vergab, wenn ihm vergeben wurde, konnte man selbst Vergebung erhoffen. Aber wie gesagt, das Buch liegt vor mir. Ich mag das gerade sehr, tieferes Verständnis für Zusammenhänge zu erlangen, in dem ich mich mit Schlüsselfiguren und historischen Schlüsselmomenten beschäftige. Das hat durchaus sehr viel mit mir und meinem eigenen Leben zu tun. Es ist kein fluchtgleiches Verreisen wie ein Tauchgang in ferne Ozeane, mir begegnet währenddessen viel, das in mir und meiner Generation und der Gegenwart fortwirkt. Und es hilft meinem Verstehen über die oftmals, vielfach tragische Dynamik, die Dramaturgie der Zeit. Und des Schicksals.

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