24. März 2011

[ ohne Worte ]

23. März 2011



Ende letzter Woche antwortete ich einer Freundin, wir haben uns sehr lange nicht gesehen, auf eine nachfragende Mail, in der sie mir einen Gruß sandte. Wie ich es in der letzten Zeit meistens mache, versuchte ich mich dafür zu entschuldigen, dass ich mich im Moment nicht in der Lage fühlte, mich zu treffen, mit anderen. Besser gesagt, es ist für mich tatsächlich einfacher, flüchtigen Bekannten bei einer Feier wie vorgestern im Einstein zu begegnen, die kein ernsthaftes, aufrichtiges und vertrauensvolles Gespräch von einem erwarten. Nichts muss erklärt werden, erzählt werden. Obwohl es dadurch auch banal ist, ist es angenehmer, dass an nichts gerührt wird...

(...) Du bist also immer noch da, und ich hab dich immer noch nicht dort besucht. Viel ist passiert, viel Aufregendes und auch viel Trauriges. Im Moment bin ich sehr zurückgezogen, auch wegen des furchtbaren Unglücks in Japan, das uns ja alle betrifft und noch viel mehr betreffen wird, sehr traurig. Ich staune, dass man bei manchen Menschen das Gefühl hat, sie glauben, dass sie aufgrund der Entfernung nicht betroffen sind. Als ob die Strahlung nicht durch die Gewässer und die Wolken und den Regen über die Erde verteilt wird. Ich muss auch gerade ein paar private Verluste verarbeiten, über die es mir schwer fällt zu sprechen. Deswegen bin ich nicht so recht in Stimmung zum Plaudern, was aber nicht immer so bleiben wird. (...)

Das schrieb ich ihr unter anderem. Ich musste gerade daran denken, dass es tragisch ist, wenn man gerade damit beschäftigt war, unter anderem herauszufinden, welche Nahrung man idealerweise für den eigenen Organismus wählt, um Belastungen und Abwehrreaktionen möglichst gering zu halten, trotz der vielfältigen Mutationen, Manipulationen in der Erzeugung. Und nun stehen wir alle vor der Frage, wie wir die schleichende Kontamination der Nahrung und des Wassers mit der im Augenblick noch nicht ganz für uns greifbaren Radioaktivität aus dem Unglücksherd in Japan umgehen. Wie kann man die Gewässer der Welt schützen, diese unfassbar große Verkettung. Die Wolken, der Regen, die Winde. Das Grundwasser. Es gibt ja keine Schutzmauer. Kann man den Erdboden des havarierten Kraftwerks unterhöhlen und versiegeln, und wer soll das wann tun? Mit Beton und Sand von unten und oben, irgendwann, später, wenn schon alles durchtränkt davon ist, das ganze Land dort und über die Grenzen hinaus. Ach... Eine gigantische Käseglocke aus Blei darüber, zwei Kilometer hoch? Oder eine riesige Stahlröhre ins All, durch die die Strahlung abgeleitet wird, oder der Dreck ins Weltall katapultiert? Ins All, das Unendliche? Wie werden wir das nur wieder los. Ich glaube, durch dieses Unglück müsste auch der Letzte begriffen haben, dass die alten Brennstäbe sehr, sehr lange noch weiter aktiv sind, umso mehr, je geringer die künstliche Kühlung von außen ist. Das wird einem jetzt wie im Schulbuch vor Augen geführt. Ich kann den Satz "Reaktor XY hat wieder Strom" nicht mehr hören. Was hat denn da Strom? Da wurde irgendeine Starkstromleitung gelegt, die sich zwar lokalisiert "am" Reaktor XY befindet, aber nicht an ihn angeschlossen werden kann, weil da ja alles hinüber ist, wie wir mit jeder neuen Meldung lernen, wenn es auch nebulös verscheiernd offen gehalten wird. Bis jetzt konnte noch kein Reaktor-immanentes Kühlsystem wieder aktiviert werden, wenn ich das richtig herausgelesen habe. Aber das haben ja auch sicher schon andere außer mir begriffen, dass die Kühlversuche von außen der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein sind. Ach. Aber genug für heute jetzt dazu. Ich muss jetzt schlafen gehen, weil morgen früh aufstehen.
Gute Nacht aus Berlin.

22. März 2011



Ach stimmt, jetzt fällt mir der Name dazu ein. Das war Werner Sonne. Wenn man sich so vom Fernsehangebot zurückgezogen hat wie ich, hat man mitunter noch alte, haften gebliebene Profilbilder im Kopf. Profile, mit denen ich mich nie eingehend genug beschäftigt habe, um heute noch sofort unzweifelhaft den Namen zuordnen zu können. Wie Luc Jochimsen. Vor fünfundzwanzig Jahren vielleicht schon. Aber gestern wusste ich nicht gleich wohin. Das Gesicht ist zwar sehr bekannt, wie ein Stempel auf der inneren Festplatte eingraviert, aber mir fielen bei mehreren Gästen falsche oder gar keine Namen ein. Ich dachte bei ihr an Liz Mohn, aber die hat ja eine ganz andere Frisur und sieht auch überhaupt in jeder Hinsicht anders aus, aber halt auch ein Kaliber, gesellschaftlich. Wahrscheinlich dazu das innere Bild des dreibuchstabigen Vornamens, der mit einem L anfängt. Gerade gesehen, dass Luc Jochimsen inzwischen Parteipolitik macht. Für die Linke. Ich bin halt nicht auf dem Laufenden. Auf jeden Fall ist sie ein Hingucker. Man glaubt noch die Aura der Ära der Siebziger zu spüren, die vermutlich eine starke Spur hinterlassende Zeit für sie war. So ein Gefühl, Kontinuität des Augen-Make ups. Werner Sonne könnte als Dressman für die Zielgruppe extrem agiler Senioren durchgehen. Obwohl das Wort Senioren schon viel zu ältlich klingt. Ganz hervorragende Körperspannung, Vorbildcharakter. Und dann diese unglaublich sitzende, perfekt geschnittene silberweiße, geföhnte Frisur. Man muss sich zwingen, nicht hinzugucken. Der ästhetische Zwang war beim Rest der Gäste geringer, obwohl sie eher jünger waren. Aber was heißt das schon. Jünger ist im Zweifel sowieso immer langweiliger. Es sei denn so ein junges Wesen ist auf eine besondere Art rasant visionär, ansteckend lebenshungrig und versprüht sein Feuerwerk in alle Himmelsrichtungen. Aber das gibt es nicht so oft. Und wenn, findet man es auch noch in späteren Jahren. Ich bin der beste Beweis. Ha! Übrigens gestern nur einmal aus einem Glas, das nicht einmal meines war, einen halben Schluck Rotwein versucht, gekostet, nur testweise, ob etwas passiert, vielleicht Interesse an einem zweiten Schluck. Nicht einmal in die geringste Versuchung gekommen. Ich meine: es gab keinen inneren Kampf, es erschien mir einfach nur attraktiver, einen klaren, leichten Kopf zu behalten. Aber die anderen haben sich ordentlich bedient. Dafür habe ich zwei von den wunderbaren Jubiläumszeitungen fürs ewige Archiv mitgenommen. Sieht man auch auf den Bildern, später irgendwann. Demnächst in diesem Theater. Ach ja, das da oben ist kein Bild von gestern, so ekstatisch war ich unter dem Einfluss des Sprudelwassers dann ja doch nicht. Gibt aber ein paar andere schöne Bilder, auf denen auch nicht geweint wird. Das war Ende August in der Villa am Wannsee, als Angela Winkler beim Suhrkamp-Fest ein paar Lieder sang. Das ist mir nur heute in die Hände gefallen, weil einer in meinem Flickr-Account herumgeguckt hat und das zu seinen Favoriten geklebt hat. Ein mir völlig unbekannter Mensch. Eigentlich fast schon pervers, dass sich Wildfremde intensiver mit Bildern von mir befassen, als sämtliche Menschen, die ich je wirklich kannte. Verrückte Welt. Ganz und gar. Verdreht. Gaga. Denke eben noch beim Durchlesen, wenn Jan das liest, der gestern auch dabei war, kommt er vielleicht wieder mit dem Spruch, ich könnte eigentlich eine gute Gesellschaftsreporterin abgeben, so Richtung Gala und Bunte. Dann muss ich immer lachen und zeige ihm einen Vogel, obwohl er natürlich recht hat. Das Problem ist nur, ich hätte keine Lust, das ohne Unterlass zu betreiben, eben halt nur nach Lust und Laune und das wird wohl keine Redaktion befriedigen. Dann bleibe ich lieber die fotografierende Berliner Patti Smith, wie mich gestern einer der anwesenden, schwer bewaffneten Fotografen getauft hat. Und die macht ja bekanntlich, was sie will.

g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
Mehr Historie über...
16.09.25, 20:56
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
g a g a
Jan Sobottka Sieht...
12.09.25, 18:22
g a g a
g a g a
Margarete 9. September...
09.09.25, 23:00
g a g a
g a g a
ANH 6. September 2025...
06.09.25, 20:33
g a g a
Ina Weisse Wenn einer...
05.09.25, 20:19

21.47
a
April
april 2004
april 2005
april 2006
april 2007
april 2008
April 2009
April 2010
April 2011
April 2012
April 2013
April 2014
April 2015
April 2016
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren