04. Dezember 2010




Eva-Maria Hagen



Sollte man sich in aller Größe anschauen. Ich mag sie sehr gern. Dieses Weib. Ihre Urgewalt. Und ihre Zartheit. Unter den Malerinnen ist sie mir sowieso die Liebste. Ich schreibe nur ganz klein, dass sie sehr aufgeregt war. Aber auch das ist an ihr sympathisch. Wenn ich mit Mitte Siebzig noch so die Beine schmeißen kann wie Eva-Maria, ist nichts zu befürchten. Den Surabaya Johnny singt sie mal eben so, aus dem Handgelenk. Sie ist wunderbar, auch wenn sie am frühen Nachmittag die Seiten in ihrem Buch nicht so schnell finden konnte, wie sie wollte. Sie erwähnte, was für eine ungewohnte Zeit es sei, um auf der Bühne zu stehen. Ich sehe ihr alles nach und ziehe unter allen Umständen meinen Hut. Ganz tief.

04. Dezember 2010

GAGA VOREVA. Frau Nielsen war am zehnten Oktober vor Eva in Laune und hat auf die Schnelle beim Verlassen der Wohnung zwei Fotos gemacht. Ich hatte lange geschlafen, lange gefrühstückt, mochte mich und machte mich, Windschutzbrille auf der Nase, Kamera in der Hand, in Vorfreude und Mantel auf den Weg, um einen schönen Nachmittag mit meiner Freundin Sabine bei Eva-Maria Hagen im Berliner Schlossparktheater zu verbringen. Man muss die Gunst der Stunde nutzen, denn auch ich bin nicht jeden Tag in der Laune, fotografiert zu werden. Ganz im Gegenteil. Ich hasse es, fotografiert zu werden. Außer von Peter Lindbergh. Oder Herb Ritts. Ach so, der ist ja schon tot. Na ja, auf jeden Fall ist fotografiert werden prinzipiell eine schlimme Sache, sofern der Fotograf sich nicht die Mühe macht, die Lichtverhältnisse und meinen Schädel ausreichend zu studieren und in wohlbedachter Weise, Lichtquelle und Objekt zu koordinieren. Das Ergebnis sollte bitte gleichzeitig äußerst schmeichelhaft und authentisch sein. Das sollte eigentlich möglich sein. Schließlich kann ich das auch.

Unlängst wieder schwierige Erfahrung gemacht. Eine menschlich sehr nette Fotografin hat überschwänglich versucht, mich mit Komplimenten zu motivieren, aber ich ahnte, das wird nichts. Wenn mir schon jemand sagt, ich soll das Kinn 5 Millimeter weiter nach vorne recken ("Ja! So ist schön, so ist super! Ganz, ganz toll!") und dann noch bitte den Kopf noch um ungefähr zehn Grad nach rechts drehen ("Ja! So! So ist es fast schon perfekt! Jetzt wieder ein bißchen mehr nach links, nur ein bißchen!") und dabei auf ihre Nasenspitze gucken ("Ja! Fast! Jetzt war gerade schön!"). Man kommt sich vor wie im Geometrieunterricht. Sie war sehr begeistert von ihren Bildern. Ich merkte schon, als die Fotos entstanden, dass das Licht zu flächig gesetzt war, um nicht zu sagen flach. Platt frontal, so leicht von oben, damit alle Linien im Gesicht schön verschwinden, und zwar gnadenlos. Bloß keine Schatten unter den Augen oder sonstwo, oder andere interessante Charakter- oder Lebensspuren. Ich habe ja nichts dagegen, wenn diese Nasolabialfalten etwas gemildert werden, aber das war einfach langweiliger Murks. Nach solcherlei Erfahrungen wird mir regelmäßig übel, wenn die fertigen Bilder mein verkrampftes Gefühl bestätigten. Dabei war sie sehr nett und bemüht und hat, wie bereits erwähnt, nicht mit Komplimenten gespart. Kurz trat der Gedanke an mich heran, dass das möglicherweise System hat.

Prinzipiell habe ich nichts gegen superlative, auf andere möglicherweise übertrieben wirkende Adjektive einzuwenden, wenn von mir die Rede ist. Aber es sollte schon ehrlich gemeint sein. Sie wirkte eigentlich auch recht vertrauenswürdig, aber ich fühlte mich an dem Tag gar nicht superlativ, eher so mittel. Ich war und bin nicht auf Kommando locker und sage das auch vorher, daher traue ich dem Braten nicht, wenn mir jemand trotz dieser Vorwarnung die geringsten Anweisungen gibt. Ich will meinen Kopf so halten, wie ich ihn eben halte und auch meine Schultern nicht unnatürlich nach hinten biegen, schließlich bin ich keine Schaufensterpuppe. Ich will auf einem Foto aussehen, wie ich mich fühle und nicht wie jemand denkt, wie die Nullachtfuffzehn-Körperspannung im Oberkörper sein müsste. So ein Scheißdreck. Wir haben uns bei einem Foto von ungefähr Hundert darauf geeinigt, dass sie es nicht wegschmeißen muss. Das war eigentlich eher ein Akt der Versöhnlichkeit meinerseits, damit die Frau nicht die totalen Komplexe kriegt. Sie tat mir leid. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil ich bei keinem Bild in ihren Jubel einstimmen konnte. Das Bild wurde dann noch vom Assistenten, der interessanterweise nicht in den Jubel einfiel (und dadurch im unmessbaren Bereich in seiner Kompetenz stieg), gephotoshopt und mir einige Zeit später auf einer CD übergeben. Er hat noch was an den Augen gemacht, wie ich hörte, irgendwie aufgehellt.

Als ich die CD in den Rechner schob, und die Bilddatei öffnete, wurde mir wieder schlecht. Der Bereich meines Gehirns, der für schlimme Erinnerungen zuständig ist, wurde aktiviert und ich erinnerte mich an die Zeit mit ca. elf, als ich riesige Minderwertigkeitskomplexe hatte. Unter anderem wegen meiner Zahnlücke, wegen der ich als Kind oft und gerne gehänselt wurde (und die ich heute übrigens nicht mehr schlimm finde, sogar im Gegenteil). Vielleicht wäre das Bild ja auch weniger unbrauchbar, wenn das Licht nicht so eindimensional gesetzt gewesen wäre. Ich weiß, dass man ganz gute Fotos von mir machen kann, wenn ich breit lache. Ich lache nämlich auf dem Bild. Und das muss man erstmal schaffen, ein Bild auf dem jemand lacht, so zu machen, dass man sich eigentlich nur auf eine unattraktive Art albern findet. Ein breites Lachen ohne Sinn. Das war es nämlich. Ich hatte keinen sonderlichen Grund, so zu lachen und versuchte es nur, um mich kooperativ zu zeigen. Ich wollte nicht als zickige Spielverderberin dastehen und der enthusiastischen Frau mit der Kamera diesen kleinen Gefallen tun. Dazwischen lachte ich dann auch mal natürlich, nämlich als ich ihr sagte, dass es viel besser funktionieren würde, wenn sie mir die Anweisung gäbe, auf keinen Fall zu lachen. Das würde die Wahrscheinlichkeit unermesslich erhöhen. Und dann musste ich lachen. Da hat sie aber leider gerade nicht abgedrückt. Dumm gelaufen. Der Datenträger wurde mit Unterstützung meiner Haushaltsschere entsorgt.

Das Herz und Hirn beim Einfangen eines Menschen ist, dass man eine schöne Atmosphäre hinbekommt und das Objekt der Begierde gut beschäftigt ist. Und sei es nur mit anderen Gedanken. Dieser Mensch, den man fotografieren will, muss sich so richtig fühlen dürfen, wie er von sich und von Natur aus gedacht ist. Mit dieser ureigenen, seltsamen Art, den Kopf vielleicht immer ein kleines bißchen schief zu halten. Und jederzeit, falls es sich ergeben sollte, darf gelacht werden. Nicht, weil es eine dahingehende Anweisung gegeben hat, sondern weil man ein heiteres Gespräch führt. Zum Beispiel darüber, wie furchtbar es sein kann, fotografiert zu werden. Alles andere ist Quatsch mit Soße.



Hochachtungsvoll
Gaga Nielsen

02. Dezember 2010



Der Himmel ist ja immer blau. Man ist nur nicht immer weit genug über den Wolken. Es ist schon ein apokalyptisches Gefühl von zur Hölle zu fahren, wenn man im Flieger sitzt, aus der Sonne kommt und sich das Fluggerät beim Landeanflug aus tiefblauer Sphäre durch eine dicke Wolken-Beton-Decke bohrt. Ich finde das unheimlich. Nicht, dass ich gerade aus der Sonne käme. Eher im Gegenteil. Aber ich habe ein gutes Gedächtnis. Und darunter regnet es. Oder schneit. Umgekehrt ist schöner. Man muss zur Zeit ein bißchen über's Wetter bloggen, das ist gerade ein Thema. Ich möchte die Sache heute vom gesundheitlichen Standpunkt beleuchten.

Es ist schon ein bißchen ungewohnt, dass man in diesen Tagen so wenige freudige Schneefalleinträge liest, wo diese Wettersorte doch sonst bei ihrer ersten Wiederkehr stets beschönigend Willkommen geheißen wird. Traditionell wurde in der Vergangenheit immer sehr von ausgedehnten Sonntags-Spaziergängen in verschneiten Landschaften geschwärmt und um sterbende Gletscher geweint. Auf Fotos finde ich das auch sehr schön, aber mir ist das schon immer zu kalt. Ich halte das, um ganz deutlich zu werden, sogar für gefährlich. Schon seit meiner Kindheit, wo ich immer an die frische Luft musste und im Winter Schnee schippen, weil die Eltern freiwillig in so einem Haus wohnten. Man selber musste sich als Kind auch dort aufhalten, gezwungenermaßen und demzufolge auch ein bis zwei Stunden mit Schnee schippen. Mitgehangen, mitgefangen. Das erwähne ich nur, damit niemand behaupten kann, ich wüsste nicht, wovon ich rede. Ich bin eine begeisterte Spaziergängerin, wenn es siebzehn Grad aufwärts hat, alles darunter ist mir zu frostig und halte ich persönlich für medizinisch nicht vertretbar. Die Augen tränen und die Nase läuft, was ich nicht in der Lage bin, anders als ein Zeichen einer gesunden Abwehrreaktion zu werten. Ohne Handschuhe frieren die Fingerspitzen ein, der Wind pfeift. Das hat mir und meinem Körper noch nie gefallen. Abhärtungsmaßnahmen wie kalte Duschen und Winterspaziergänge halte ich für verantwortungslosen Leichtsinn.

Erkältungen vermeidet man, in dem man sich von erkälteten Menschen und Kälte absondert, und nicht, indem man sich rudelweise ohne zeitliche Begrenzung und ohne Mundschutz im Freien aufhält. Aber auf mich hört ja keiner. Wollen wir doch mal sehen, wer hier ohne Erkältung durch den bösen Winter kommt! Ich propagiere Aufenthalte außerhalb von beheizten Räumen niemals länger als maximal zehn Minuten zu praktizieren. Das stellt bereits die Obergrenze dar. Als Empfehlung gilt: muss ich bei Minustemperaturen von A nach B und bin nicht in Eile, unterbreche ich den Kälteaufenthalt, in dem ich auf halber Strecke ein beheiztes Geschäft aufsuche. Man kann das auch dritteln oder vierteln usw. usf., um auf Nummer Sicher zu gehen. Praktisches Wegbeispiel von der S-Bahn-Haltestelle Hackescher Markt zum Gipsdreieck. Bei vertretbarem Wetter kann man die Strecke ohne Unterbrechung in zehn Minuten gehen (Schlendrian). Haben wir es eilig, benötigen wir sieben Minuten. Haber wir es sehr eilig und müssen ein bißchen rennen, schaffen wir es in fünf Minuten. Bei unwirtlichen Bodenverhältnissen wie jetzt, muss man mit zwölf Minuten rechnen. Hier ist eindeutig die erlaubte zehn-Minuten-Grenze für Kälteaufenthalte überschritten.

Daher empfehle ich die folgende Vorgehensweise: ich überquere die Ampel am Hackeschen Markt Richtung Rosenthaler Straße. Einkaufen muss man schließlich immer, also suche ich zielstrebig den Edeka-Supermarkt gegenüber von den Hackeschen Höfen auf und halte mich dort 5 bis 15 Minuten auf, um Dinge des täglichen Lebens zu kaufen und meine Körperwärme zu regulieren. Nebenan ist Rossmann, Shampoo und Klopapier ist eigentlich auch irgendwie dauernd alle, also ergreife ich die Gelegenheit, erneut etwas Wärme auf Vorrat zu speichern und dennoch meinem Ziel etwas näher zu kommen. Gut temperiert nähere ich mich der Kreuzung Weinmeisterstraße. Das Tragen der schweren Einkaufstüten regt kontinuierlich den Kreislauf an und ich wirke aktiv dem Abfallen der Temperatur entgegen. Wir nähern uns Butter Lindner auf der linken Seite, ca. hundertfünfzig bis zweihundert Meter schräg gegenüber vom Drogeriemarkt entfernt. Da man wie immer anstehen muss, ist in den nächsten zehn Minuten nicht mit Kälteeinwirkung zu rechnen. Hier gilt es, sich von der Eingangstür fern zu halten und unmäßige Nähe zu inkognito erkälteten Kunden (Achtung!: Hochziehen, Räuspern, aufgeraute Nasenlöcher) zu meiden bzw. den Schal, der uns stets als Mundschutz dient, nur für die Dauer des Verkaufsgesprächs zu entfernen.

Sind wir bei Butter Lindner fertig, überqueren wir die Sophienstraße und begeben uns so schnell wie möglich zum Eingang der teilüberdachten, gut geschützen Sophie-Gipshöfe, um ohne übermäßigen Körperwärmeverlust in ca. drei bis vier Minuten am Ziel zu sein. Neuerdings bietet sich noch ein weiterer Wärmestopp an, da neulich ein Riccardo Dingsbums-Schuhladen Ecke Sophienstraße oder ist es Ecke Gipsstraße (?) aufgemacht hat. Das ist allerdings nur eine Empfehlung, wenn Geld gerade gar keine Rolle spielen sollte. Das war jetzt auch nur ein Wegbeispiel. Sicher entdecken Sie nach Lektüre dieses Eintrags ausreichend Möglichkeiten bei sich, um unnötig lange Aufenthalte in der Kälte zu modifizieren und somit Ihren persönlichen Beitrag zur Volksgesundheit zu leisten.



Und immer daran denken: DER HIMMEL IST BLAU

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