schon merkwürdig, wie einen eine beinahe flüchtige bemerkung auf einer anderen seite von den socken hauen kann. gestern hatte ich die muße, nicht nur die gerade aktuellen beiträge von
herrn kid in seinem hermetischen café zu lesen, sondern lust, mal zum anfang zu blättern und richtung gegenwart zu lesen.
ich war ein wenig überrascht, dass er ja noch gar nicht so lange schreibt, da mir sein schönes café schon beinahe wie eine institution vorkommen mag. dann las ich
diesen eintrag. und wurde auf mich zurückgeworfen. ich las
stratocaster. das reichte schon. und ein film lief vor meinem auge ab.
mein bruder, der nicht mehr lebt, spielte eine fender stratocaster, eine wunderschöne schwarze. und ich habe sie verloren. bei seinem unfall lag sie wie ein schatz neben ihm auf dem beifahrersitz. ich holte die gitarre ein paar tage danach ab, von dem ort, an dem der unfall geschah, in belzig. nahe berlin. er war ja auf dem weg zu mir. auf dem koffer zwei tropfen blut.
es war schwer, in ostberlin mit dem koffer über die grenze zurück nach westberlin zu kommen, denn ich hatte die gitarre nicht eingeführt, in die ddr. verheult stand ich stundenlang am grenzübergang friedrichstraße und stammelte, dass das die gitarre meines toten bruders sei. der koffer, das 'case', hatte eine form, die für einen laien nicht gleich erkennen ließ, dass darin eine gitarre sein könnte. vielleicht sehen kalaschnikoff-behältnisse ja ähnlich aus. keine ahnung. kurz bevor die uhrzeit für die frist meines visums ablief, ließen sie mich gehen, nachdem mehrere telefonate zwischen ost- und westberlin geführt wurden, und sie verstanden hatten, dass auf dem hoheitsgebiet der ddr ein westberliner bürger tödlich verunglückt ist.
die gitarre. seine geliebte strat. verwaist stand sie in meiner wohnung. bis ich jemandem begegnete, der für eine zeit ein guter vertrauens- würdiger freund wurde. er verstand, was der verlust für mich bedeutete auf einer tieferen ebene, und ich fand es plötzlich in ordnung, wenn ich ihm für das einspielen einiger aufnahmen die stratocaster geben würde. er hat mich nie darum gefragt oder gebeten, es war meine idee. er war völlig demütig und respektvoll, als ich ihm wirklich die gitarre gab. als würde ich ihm eine seele anvertrauen. ich glaube, niemand hätte zu dem zeitpunkt behutsamer mit dieser gitarre umgehen können. ich wollte sie ihm nicht mehr wegnehmen, weil ich fand, dass er ihr wieder leben geben würde. dafür war sie ja da. nicht, um eine reliquie zu werden.
dann verloren sich unsere wege, einfach so. wie das manchmal so ist. ich dachte immer - wenn ich sie zurückwollte, müsste ich sie mir ja nur holen. ich habe es bis heute nicht getan. und es liegt nun schon siebzehn jahre zurück. eigentlich sollte die gitarre einer seiner söhne bekommen, mein bruder hat zwei söhne, der eine damals noch nicht geboren, der andere ein kleinkind. und heute spielt der eine tatsächlich e-gitarre und der andere klavier. ich könnte einen jungen mann sehr sehr glücklich machen, mit der gitarre seines vaters. aber es ist so lange her, und ich habe große hemmungen das anzupacken. niemand fordert das von mir. aber vielleicht sollte ich es eines tages doch noch versuchen.