während ich immer wieder die bilderflut von navajo mountain ansehe, auf seiten verteile, muss ich an all die vielen bilder denken, die ich nicht fotografiert habe. freiwillig, einsichtig (nicht, dass mir jemand ein bild verweigert hätte) und manchmal doch mit einem winzigen, leicht hinnehmbaren bedauern.
film war da, doch es gibt diese momente, wo es den zauber bricht, ihn brechen würde, ein noch so kleines gerät in die hand zu nehmen und etwas so pragmatisches zu tun, wie ein motiv-versessener paparazzo auf einen auslöser zu drücken. man setzt sich für jenen und die augenblicke danach in nie beabsichtigte distanz, irritiert und ist für ein paar sekunden außerhalb, wenigstens im kreis von menschen. in landschaft ist es dagegen ein ungebrochener fluss, die kamera einzusetzen und die winzige bewegung beim gehen macht keinen unterschied. die salamander schlafen weiter. ich bin vorsichtig und nicht umständlich beim abdrücken. es gibt kein abwägen, keine positionsüberlegungen, sehen, fühlen, einfangen. es ist keine hektische bilderjagd, ich bin ein fauler flaneur. faule flaneurin. läuft mir ein unwiderstehliches bild über den weg, sag ich nicht nein (wenn das bild nicht von sich aus nein sagt...)
ich wünschte zunehmend, ich könnte die nur in meinem herzen und fühlen gespeicherten bilder vermitteln. nur ein paar davon. ich spüre, wenn ich die tatsächlich entstandenen bilder sehe, was daneben, dahinter, davor und danach geschah, war und ist. die gesichter und gesten, die (absichtlich) nicht auf zellulloid gebannt sind, die sonnendurchfluteten züge der menschen, die das rainbow plateau seit gedenken bewohnen. verstreut, weites land um sich liebend. menschenanhäufungen vermeidend. die nächste hütte kaum zu sehen. falls doch “ it’s getting crowded...“. kleines haus, familien-hogan, wüste, pferde, katzen, hunde, felsen, juniper, pine, sagebrush.
(jener teil `sage` im namen sagebrush hat in deutschsprachigen regionen dazu verleitet, die weit verbreitete wüstenpflanze bequem mit salbei zu übersetzen. was wiederum dazu geführt hat, dass viele in unseren breitengraden indianisches brauchtum nachzuempfinden-suchende, küchensalbei verbrennen. vielmehr sei unser heimischer beifuss jenem wüstenstrauch biologisch, jedoch nicht für das auge erkennbar, verwandt, heißt es. der duft von nordamerikanischem sagebrush ist ätherisch-würzig, verwirrend-vibrierend, hell und doch sehr tiefgehend. im geschmack gallebitter, nicht genießbar. die blätter sehr klein, spatenförmig und gefiedert. allein das samtig-helle graugrün der blätter scheint salbei-ähnlich.)
manchmal trägt man bilder, klischees in sich, die aus filmen stammen. verdammt schönen filmen. filmen, die so schön sind, dass man eher denen glaubt, die warnen „du träumst schon wieder, du träumst zuviel“. zu schön, um wahr zu sein. und doch - versucht man - insgeheim - irgendwo einen millimeter, eine kleine sequenz davon in der wirklichkeit wiederzufinden.
manchmal, reist man an einen ort, nur wegen eines einzigen wunderbaren bildes. ich hatte viele wunderbare bilder von diesem weiten land in meinem herzen gespeichert. ich schreibe herzen, weil es eine herzensangelegenheit ist, immer war. ich möchte noch viele andere kontinente bereisen, doch mehr aus neugier. ich wußte bereits, hörte, es wäre ein weites land. jeder sagt einem das. ich war voller erwartung. vorsichtig nur aus übung, jahrelanger übung. und merkwürdiger gewißheit. vorfreude. auf etwas wie – ein großes wort - inneren frieden.
ich habe gut geträumt. der traum ist geblieben. ich fand ein land, das mehr als weit ist. unendlich. im grenzen- und wunderbar asphaltlosen land der navajo herrscht ein tiefer frieden in allen himmelsrichtungen, der sich weit und mächtig über den horizont erhebt. und was dahinter liegt, liegen mag (man sieht es ja nicht mit bloßem auge, kein fernglas sieht so weit) scheint nur noch als ghetto in zementierten quadraten freiwillig eingesperrter anglo-americans. theoretisch, gerüchteweise. nicht ärger regt sich - nur mitleid. wie eng und traurig scheinen die städte.
ich träumte gut. doch ich träumte nicht, dass der grand canyon so sehr, so schwer nach von frühling erfüllten pinien riecht.
und. ich träumte nicht, dass der „wilde westen“ vor allem unberührte wildnis ist. mehr als alles andere. der cinemascope-eindruck bleibt. nur - die leinwand lebt, atmet, riecht. echt. großes kino, greifbare wirklichkeit. das, was wir uns erlauben, am szenario der marlboro-werbung zu lieben, das gibt es wirklich, diesen großen sonnenuntergang, das lagerfeuer, die blecherne kaffeekanne. nur eines ist anders: der cowboy im monument valley ist kein anglo. und er hütet auch keine kühe, sondern einen versteckten hogan im valley, und die pfade zum “eye of the sun“ und “ear of the wind“. der cowboy heißt zufällig
gary, er trägt einen stetson, stolz. stolz auf sein land. stolz auf auf sein volk, das volk der dineh. er ist ein navajo. er sieht von hinten aus wie lucky luke, von dem er noch nie gehört hat, kommt aus lookatchaga, das liegt irgendwo zwischen utah und arizona, die anglos haben nicht einmal ein wort dafür. er hat gerade keine marlboro, hätte aber gerne eine, er hat ja aufgehört zu rauchen. dann dämmert der morgen. im monument valley, indigoblau.
in der sanddüne mit blick nach osten zum totem pole, steht ein cowboy und singt. er singt den ganzen sonnenaufgang lang. er singt den navajo sunrise song, so lange, bis alle wünsche gewunschen sind und die sonne leuchtend durch den felsen bricht.