Zwischen all den Bildern. Momente ohne Kamera. Am Sandwerder. Tatsächlich, es gibt einen Verlag seit zweihundertfünfundzwanzig Jahren. Einer nimmt das Schwarzweißportrait von Wickert vom Sims und hält es sich beim Tanzen vors Gesicht. Eine Ahnengalerie der Autoren, in der Herr Wickert ohnedies merkwürdig fehl am Platz wirkte. Heinrich Heine hängt da.
Christian Brückner, diese
Stimme, zu der ja ein Mensch gehört, tanzt viel und eigen, sehr konzentriert, reduziert. Elegant der ganze Mensch. Sympathisch. Er tanzt mit seiner Frau. Wie groß sie ist. Man sieht, wie gerne sie tanzen. An der Wand steht der hohlwangige Schauspieler. Ich denke immer, wie krank er aussieht. Der irrlichternde Blick. Seine Freundin trägt ein merkwürdiges rotes Banner über der Schulter, dem kurzen Kleid. Mit aufgenähten Blumen, die man nur aus der Nähe erkennt. Sie sieht ein bißchen aus wie nach einer Misswahl, mit verrutschter Schärpe und lacht viel. Hübsch genug wäre sie. Matthes lacht nie. Er sieht unzufrieden aus. Sie strahlt für zwei.
In der Abenddämmerung am nahen Wannsee singt ein Maler ein paar Lieder von Dylan. Bob Dylan, dessen scheppernde Gießkannenstimme mir seit Gedenken so auf die Nerven ging, dass ich es trotz Sympathie und allem Respekt nie fertigbrachte, eine Platte von ihm ganz zu hören. ähnlich, wie mir Wolfgang Niedeckens Texte in seinem Heimatdialekt auf die Nerven fielen. Aber er macht alles anders an diesem Abend. Er singt englisch. Er weiß, dass ein Flüstern reicht. Obwohl er schon ein wenig betrunken ist.
Ein Vogelschwarm fliegt in die ungreifbare blauviolette Wolkenwand über dem See. Oder ist es Abendnebel. Dieser Klang der sechs Saiten. Eine akustische Gitarre. Nah. Da sind Fetzen von vertrauten Textzeilen. Bohren sich mit Lichtgeschwindigkeit ins heillose Herz. Es tut weh und es tut gut. Ich wünschte, es gäbe solche Aufnahmen von Dylans Gesamtwerk. Dann könnte ich endlich alle diesen wunderbaren Stücke hören. Ich muß schlucken. mit dem rechten Zeigefinger schnell ein paar Tränen aus dem Augenwinkel. Ich habe das Gefühl, ich müßte mich bedanken. Aber ich gehe zurück ins Haus und tanze.
Zu
Sympathy for the Devil kann man eigentlich nicht richtig tanzen, aber im alten Kaminsaal wackeln die Wände. Ein Haufen Mist landet auf dem Plattenteller. Neuankömmlinge betreten den Raum und schütteln merklich den Kopf über die altbackenen Töne. Schlimme Sachen darunter. Irgendwann fangen sie an mitzuwippen. Dann landen die Jacken auf dem Kaminsims und alles ist egal.
Ich hole neuen Wein. Am Treppenaufgang stehen sie, Brückner und Niedecken. Reden und schauen in die Nacht. Man will ja auch nicht falsch verstanden werden. Ich glaube, ich hätte mich bedanken sollen. Wenn man so berührt wird, sollte man sich bedanken. Es geht mir immer noch nicht aus dem Kopf.