Schon merkwürdig. Da hätte man gedacht, Christine Kaufmann wird bestimmt 105. Und dann von heute auf morgen, vor vierzehn Tagen Erstdiagnose Leukämie, nach einem Zusammenbruch, dann Koma. Zwei Wochen nach der Diagnose tot. In jedem Interview die Betonung des pfleglichen Umgangs mit dem Körper, Erklärungen zur Topform und für den Interviewpartner wundersamen Fitness und Form mit über Siebzig, in einem Interview von 2016 Auskünfte zum neu erwachten Interesse an körperlicher Liebe... Leukämie hat doch nicht erst im Endstadium Symptome oder? Angeblich Müdigkeit, Kraftlosigkeit, leicht blutende Wunden. Hoffe, das war nicht alles nur Theater und sie hat sich nur halb so fit gefühlt, wie sie es dargestellt hat, um als Wonder-Woman zu gelten. Vor vier Jahren las ich interessiert ein durchaus kluges Buch von ihr, Scheinweltfieber heißt es. Sie schrieb ja mehrere. Über dieses erzähle ich in diesem Opus von 2013. Ruhe sanft, liebe Christine.
Und das kommt raus, wenn man den Akku nicht lädt, bevor man losgeht. Zwei Bilder von daheim auf dem Absprung, zur Diaschau aufgeblasen. Kein Bild vom Ort des Geschehens. Dumm gelaufen. Wobei ich gestehen muss, ich war selber nicht darauf vorbereitet, wohin zugehen. Habe mich gestern Abend oder schon bald Nacht, selber mit der plötzlichen Ausgehlaune überrascht, daher kein Gedanke, Stunden vorher den Akku aufladen. War aber auch ganz gut, keine Kamera dabei, auf die man dann doch aufpasst, leichtfüßiges Abhotten, gestern im Anno 64. Unser DJ Martin hat das sehr fein gemacht. Lauter Lieblingstanzlieder von mir gespielt. Miss you, A Girl like you, Black Betty hastenichgesehen. Toll. Und ganz arg tanzwütiges Publikum in der schummrigen Kreuzberger Kneipe. Sympathisch dazu. Und alle so mein Alter in etwa (27 - 29). Ich hatte mich strikt an die Kleiderordnung gehalten und ein tolles Glitzerteil an, das man aber leider auf den Fotos kaum erahnen kann, weil ich den Mantel halt schon anhatte. Muss man sich dann vorstellen. Das Motto war ja "back to the mirror ball", da versteht es sich meines Erachtens von selbst, dass man ein Pailletten-Outfit trägt. Ich war da ja noch nie, in dem Laden. Wenn mir jemand eine Einladung schickt und es ist eine location, wo ich noch nie war und es klingt interessant, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich hingehe, sofort um 47 Prozent. War so ein Fall. Ist aber auch ein Fall von gerne mal wieder. Tanzen nutzt sich einfach nicht ab, keine Inflationsgefahr. Und auch entspannt für mich: niemand erwartet Bilder, nur weil ich auch zu meinem Vergnügen da war. Da stellt sich leider leicht ein Gewohntheitseffekt ein. Dass die Arbeit mit dem Fotografieren nicht getan ist, haben die wenigsten im Hinterkopf. Während viele der Meinung sind, ich wäre wahnsinnig viel unterwegs, verbringe ich ganz im Gegenteil wahnsinnig viel Zeit damit, die Bilder von den relativ wenigen Gelegenheiten, wo ich unterwegs war, auszusortieren und zu optimieren. Das erübrigt sich nicht, wenn man bei maximal unzureichenden Lichtverhältnissen versucht etwas Brauchbares einzufangen. Das ist nur denjenigen klar, die selbst bei solchen Lichtverhältnissen fotografieren. Ich habe das in der letzten Zeit sehr umfangreich gemacht. Aber in diesem Jahr spüre ich mehr Lust bei Tageslicht zu fotografieren. Oder bei (von mir) gesetztem Licht. Das führt doch wesentlich schneller zu sehr guten Ergebnissen. Das andere habe ich einfach auch ausgelotet. Irgendwann ertappt man sich dabei, dass man einen Künstler vor sich auf der Bühne hat, den man schon mehrfach in derselben Pose vor sich hatte und sich bei diesem déjà-vu fragt, worin eigentlich die Herausforderung oder Spannung für einen selbst dabei liegt. Ich kenne wenige Menschen, die Wiederholungen so sehr scheuen, wie ich. Ein ganz extrem ausgeprägter Charakterzug bei mir. Abgesehen von Ritualen, die mit dem leiblichen Wohl zu tun haben. Schlafen, Duschen, guter Kaffee, guter Wein. Usw. Sie wissen schon, was ich meine.
»La plus charmante conversation lasse l'oreille d'un homme occupé de quelque passion.«[ Auch die reizvollste Unterhaltung langweilt den Menschen, der in eine Leidenschaft verstrickt ist.]
Luc de Clapiers, marquis de Vauvenargues
Auch schön "Während unsere Seele voll Gefühl ist, sind unsere Reden voll Zweckmäßigkeit." - Unterdrückte Maximen, Maxime 878 [ŒdV, S. 487] [FS, S. 195] (Original franz.: "Lorsque notre âme est pleine de sentiments, nos discours sont pleins d’intérêt.")