Gaga in Paris. Oktober 1995. Eine zu dieser Zeit enge Freundin begleitete mich und hat die Fotos geschossen. Wir erliefen uns die schönsten Arrondissements. Unser Hôtel Américain in der Rue Charlot im Marais, nah dem Place de la République und dem Musée Picasso war dafür ausgezeichnet gelegen. Ich machte vorher daheim in Berlin Pläne und tüftelte die schönsten Routen aus. In Versailles waren wir auch. Draußen auf dem sonnigen Marktplatz spielte ein älterer Franzose Akkordeon und wir tranken den besten Café au Lait. Lauter Klischees. Alle wahr.
Auch das, dass die Pariser etwas arrogant sind und nicht gewillt, sich anders als auf Französisch zu verständigen, worum ich mich dann auch sehr bemühte. Aber sie waren trotzdem kein bißchen charmant, gar nicht, kein einziger. Ob das noch Ressentiments gegen Deutsche waren? In Berlin wurde ich noch nie so gleichgültig abgefertigt. Auch deswegen war ich nie wieder in Paris. Mir ging das Herz nicht auf, in dieser schönen Kulissenstadt. Wenn ich die alten Fotografien von 1995 sehe, die Ilona von mir aufgenommen hat, ist mir unbegreiflich, wie man uns nicht überaus charmant gegenübertreten konnte. Meine Freundin war eine attraktive, sympathische Blondine mit einem frechen Lächeln und Grübchen. In den Siebziger Jahren hatte sie als Fotomodell und Mannequin gearbeitet (was nicht dasselbe ist).
Vielleicht war es aber auch eine besonders angespannte und misstrauische Atmosphäre, weil Paris gerade eine Serie von U-Bahn-Anschlägen hinter sich hatte. In allen Museen und beim Betreten jeglicher sonstigen Sehenswürdigkeiten wurden die Handtaschen bis in den kleinsten Winkel kontrolliert.
Als wir die Avenue Montaigne entlangschlenderten, wo Marlene Dietrich bis zu ihrem Tod lebte, kamen wir beim Stammhaus von Dior vorbei und Ilona fotografierte mich, wie ich vorbeilaufe, als sei es ein selbstverständlicher Weg für mich. Ich freute mich sehr über das Bild. Natürlich habe ich auch fotografiert, analog. Etwas anderes kannte man damals noch nicht. Aus den Bildern wurden zwei dicke Alben, im Format alter Telefonbücher, von Hand geleimt. Das hier sind nur die Bilder, die mich zeigen. Die anderen Motive hat man ja so oder so schon mal gesehen.
Aber da fällt mir ein, im Kaufhaus Samaritaine oder im Galeries Lafayette muss doch eine ältere Verkäuferin sehr nett gewesen sein. Ich handelte nämlich ein Set von drei Kochtöpfen am Stiel mit schönen Holzgriffen noch mal herunter, obgleich sie bereits ein Sonderangebot waren. Das hätte ich mir gar nicht so zugetraut, also rein sprachlich. Nach einer Weile traut man sich immer mehr.
Und auf einem der Flohmärkte im Norden, im 18. Arrondissement, Nähe Montmartre, wo es vor Händlern aus der arabischen Welt wimmelte, gab es auch ein paar warme Blicke. Und von den singenden Nonnen beim Gottesdienst in Sacre Coeur. Niemals zuvor einen so schönen Gottesdienst mit so himmlischem Gesang erlebt. Und der spätsommerliche Oktober-Nachmittag in der Großen Pariser Moschee, draußen im Garten mit den Mosaiken beim Tee war auch unvergesslich.
Ganz ohne Frage hat die Schönheit der alten Straßenzüge und Fassaden und Interieurs einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Wie an vielen Orten und Situationen in der Welt kommt es auf das Entrée an, das man genießt. Uns hat einfach die weltliche Connection gefehlt, innere Verbundenheit mit Picasso und den Schöngeistern und allem Schönen dieser Welt hat leider nicht gereicht. Aber ich bin Frankreich im Alltag tief verbunden. Ich trinke nämlich nur Weine aus Frankreich und nicht zu knapp!
Meine private Situation war damals speziell (wie eigentlich immer). Ich hatte einen regelmäßigen Geliebten, das heißt, die Unregelmäßigkeit hatte sich zur Regel entwickelt. Er hatte in Berlin als Übersetzer und Dolmetscher zu tun, während ich mit meiner Freundin auf Reisen ging. Mit ihm wäre sie vermutlich weniger amüsant gewesen, weil er auf eine bildungsbürgerlich intellektuelle Art sehr dominant war, zum Dozieren neigte, und sicher seiner Wege gegangen wäre, die ich dann hätte begleiten dürfen.
Vielleicht hätte ich dann den Maler Botero kennengelernt, mit dem er gut befreundet war, aber ich hätte nicht wie an einer Perlenschnur aufgereiht, diese insbesondere mich interessierenden Schätze gesehen und erlebt. Ich habe die wesentlichsten Museen und Sehenswürdigkeiten gesehen und ein Gefühl für die Architektur bekommen. Meine Freundin hatte eine starke Neigung zu denselben schönen Dingen wie ich, in einer Lebensphase hatte sie auch einmal einen Antiquitätenladen in Berlin. Und wir lachten viel. Wie es war, war es gut.
Zwei Reisen hatte ich mit meinem damaligen Liebhaber erlebt, eine nach Prag und eine auf eine griechische Insel. Wir waren nicht dafür bestimmt, gemeinsam zu reisen. Alle anderen Reisen meines Lebens waren schöner, ob allein oder mit engen Freundinnen. Wenn eine Verbindung so lange zurückdatiert, fast dreißig Jahre, kann ich etwas darüber sagen. Über spätere Dinge und Ereignisse dann entsprechend später. Ich könnte Bücher schreiben (oh oh...!)
g a g a - 16. Februar 2021, 23:57