19. august 2005
Zwischen all den Bildern. Momente ohne Kamera. Am Sandwerder. Tatsächlich, es gibt einen Verlag seit zweihundertfünfundzwanzig Jahren. Einer nimmt das Schwarzweißportrait von Wickert vom Sims und hält es sich beim Tanzen vors Gesicht. Eine Ahnengalerie der Autoren, in der Herr Wickert ohnedies merkwürdig fehl am Platz wirkte. Heinrich Heine hängt da.
Christian Brückner, diese Stimme, zu der ja ein Mensch gehört, tanzt viel und eigen, sehr konzentriert, reduziert. Elegant der ganze Mensch. Sympathisch. Er tanzt mit seiner Frau. Wie groß sie ist. Man sieht, wie gerne sie tanzen. An der Wand steht der hohlwangige Schauspieler. Ich denke immer, wie krank er aussieht. Der irrlichternde Blick. Seine Freundin trägt ein merkwürdiges rotes Banner über der Schulter, dem kurzen Kleid. Mit aufgenähten Blumen, die man nur aus der Nähe erkennt. Sie sieht ein bißchen aus wie nach einer Misswahl, mit verrutschter Schärpe und lacht viel. Hübsch genug wäre sie. Matthes lacht nie. Er sieht unzufrieden aus. Sie strahlt für zwei.
In der Abenddämmerung am nahen Wannsee singt ein Maler ein paar Lieder von Dylan. Bob Dylan, dessen scheppernde Gießkannenstimme mir seit Gedenken so auf die Nerven ging, dass ich es trotz Sympathie und allem Respekt nie fertigbrachte, eine Platte von ihm ganz zu hören. ähnlich, wie mir Wolfgang Niedeckens Texte in seinem Heimatdialekt auf die Nerven fielen. Aber er macht alles anders an diesem Abend. Er singt englisch. Er weiß, dass ein Flüstern reicht. Obwohl er schon ein wenig betrunken ist.
Ein Vogelschwarm fliegt in die ungreifbare blauviolette Wolkenwand über dem See. Oder ist es Abendnebel. Dieser Klang der sechs Saiten. Eine akustische Gitarre. Nah. Da sind Fetzen von vertrauten Textzeilen. Bohren sich mit Lichtgeschwindigkeit ins heillose Herz. Es tut weh und es tut gut. Ich wünschte, es gäbe solche Aufnahmen von Dylans Gesamtwerk. Dann könnte ich endlich alle diesen wunderbaren Stücke hören. Ich muß schlucken. mit dem rechten Zeigefinger schnell ein paar Tränen aus dem Augenwinkel. Ich habe das Gefühl, ich müßte mich bedanken. Aber ich gehe zurück ins Haus und tanze.
Zu Sympathy for the Devil kann man eigentlich nicht richtig tanzen, aber im alten Kaminsaal wackeln die Wände. Ein Haufen Mist landet auf dem Plattenteller. Neuankömmlinge betreten den Raum und schütteln merklich den Kopf über die altbackenen Töne. Schlimme Sachen darunter. Irgendwann fangen sie an mitzuwippen. Dann landen die Jacken auf dem Kaminsims und alles ist egal.
Ich hole neuen Wein. Am Treppenaufgang stehen sie, Brückner und Niedecken. Reden und schauen in die Nacht. Man will ja auch nicht falsch verstanden werden. Ich glaube, ich hätte mich bedanken sollen. Wenn man so berührt wird, sollte man sich bedanken. Es geht mir immer noch nicht aus dem Kopf.
Christian Brückner, diese Stimme, zu der ja ein Mensch gehört, tanzt viel und eigen, sehr konzentriert, reduziert. Elegant der ganze Mensch. Sympathisch. Er tanzt mit seiner Frau. Wie groß sie ist. Man sieht, wie gerne sie tanzen. An der Wand steht der hohlwangige Schauspieler. Ich denke immer, wie krank er aussieht. Der irrlichternde Blick. Seine Freundin trägt ein merkwürdiges rotes Banner über der Schulter, dem kurzen Kleid. Mit aufgenähten Blumen, die man nur aus der Nähe erkennt. Sie sieht ein bißchen aus wie nach einer Misswahl, mit verrutschter Schärpe und lacht viel. Hübsch genug wäre sie. Matthes lacht nie. Er sieht unzufrieden aus. Sie strahlt für zwei.
In der Abenddämmerung am nahen Wannsee singt ein Maler ein paar Lieder von Dylan. Bob Dylan, dessen scheppernde Gießkannenstimme mir seit Gedenken so auf die Nerven ging, dass ich es trotz Sympathie und allem Respekt nie fertigbrachte, eine Platte von ihm ganz zu hören. ähnlich, wie mir Wolfgang Niedeckens Texte in seinem Heimatdialekt auf die Nerven fielen. Aber er macht alles anders an diesem Abend. Er singt englisch. Er weiß, dass ein Flüstern reicht. Obwohl er schon ein wenig betrunken ist.
Ein Vogelschwarm fliegt in die ungreifbare blauviolette Wolkenwand über dem See. Oder ist es Abendnebel. Dieser Klang der sechs Saiten. Eine akustische Gitarre. Nah. Da sind Fetzen von vertrauten Textzeilen. Bohren sich mit Lichtgeschwindigkeit ins heillose Herz. Es tut weh und es tut gut. Ich wünschte, es gäbe solche Aufnahmen von Dylans Gesamtwerk. Dann könnte ich endlich alle diesen wunderbaren Stücke hören. Ich muß schlucken. mit dem rechten Zeigefinger schnell ein paar Tränen aus dem Augenwinkel. Ich habe das Gefühl, ich müßte mich bedanken. Aber ich gehe zurück ins Haus und tanze.
Zu Sympathy for the Devil kann man eigentlich nicht richtig tanzen, aber im alten Kaminsaal wackeln die Wände. Ein Haufen Mist landet auf dem Plattenteller. Neuankömmlinge betreten den Raum und schütteln merklich den Kopf über die altbackenen Töne. Schlimme Sachen darunter. Irgendwann fangen sie an mitzuwippen. Dann landen die Jacken auf dem Kaminsims und alles ist egal.
Ich hole neuen Wein. Am Treppenaufgang stehen sie, Brückner und Niedecken. Reden und schauen in die Nacht. Man will ja auch nicht falsch verstanden werden. Ich glaube, ich hätte mich bedanken sollen. Wenn man so berührt wird, sollte man sich bedanken. Es geht mir immer noch nicht aus dem Kopf.
g a g a - 19. August 2005, 21:42
Aber ich gehe schon nicht ins Kino in diesen Tagen, aus Gründen. Und tanzen? Nicht mal zur Sisters-Version von "Sympathy for the Devil".
sie gehen nicht ins kino 'aus gründen'? hä? da wird mir ja schon wieder das nachhaken suggeriert.
der wille zu tanzen ist zuweilen altersbedingt. wahrscheinlich kennen sie das gefühl, dass es eigentlich in einem zuckt und irgendwie raus will - aber man traut sich nicht so recht. das legt sich mit den jahren. sie sind einfach noch nicht alt und gleichgültig genug. brückner ist immerhin 62 - sieht aber fünfzehn jahre jünger aus. ich finde ihn ziemlich attraktiv. an mir selbst fällt mir auf, wie es mir zunehmend völlig scheißegal ist, was irgendwer über meine verrenkungen denken könnte (wobei ich mich in dem glauben wiege, schon eine ziemlich heiße nummer abzuziehen - aber wer weiß - eigen- und fremdwahr- nehmung driften ja gerne mal...)
"Gründe"? Ich habe (immer noch nicht) keinen Bock auf vorprogrammierte Begegnungen, das ist alles. Zumal nicht, wenn es sich um Menschen handelt, die sich früher nie für bestimmte Ereignisse interessiert haben - sich nun aber dort breit machen wie nix. (Gilt auch fürs Bloggen, für Flohmärkte und ein paar andere Dinge.) Stumpfe Revierkämpfe, auf die ich keine Lust habe. Normalerweise sucht sich ja jeder sein eigenes Feld, zieht sich respekt- und rücksichtsvoll in angestammte Gebiete zurück. Aber es gibt auch die anderen Fälle.
Der alte böse Witz lautet: "Wie nennt man die Frau, die sich nach der Scheidung im Tennisclub ihre Ex-Mannes anmeldet?"
(Sorry, heute etwas grantelig.)
FeindeGegner attestierten mir "Du kannst aber auch sehr nett sein". Also bitte.Ich wurde nur etwas, wie sagt man, fortgetragen. Denn selbstverständlich ärgere ich mich, daß ich mich so einschränken lasse und eher über einen Umzug nachdenke, statt mich feist zu behaupten. Denn so eine 1,7-Millionen-Stadt kann plötzlich verdammt klein sein.
weißahnt man wenigstens ungefähr, woran man ist (virtuell gesehen...).ich stelle es mir fürchterlich vor, ureigene orte zu umgehen, um jemandem auszuweichen. aber es ist für eine weile die einzig erträgliche möglichkeit - bis es einem irgendwann egal ist. aber das ist ja binse. die ressentiments verlieren erst ihre daseinsberechtigung, wenn sie neben einem stärkeren eindruck verblassen. das wünsche ich ihnen. sehr.
Es heißt dann, "wieso, die Stadt/das Internet/BlaBla" seien doch groß genug ("This Town Ain't Big Enough For The Both Of Us", Sparks). Das ist dann Blödsinn, wenn es sich um abgezirkelte, subkulturelle Ecken handelt, die sehr klein sein können. Oder um Interessen, die erst, äh, posthum entwickelt wurden.
Ich kann natürlich selbst schwer loslassen. Aber ich tauche trotzdem nicht an Orten auf, die anderen "gehören". Dafür gibt es dann doch zuviele Alternativen.
wohl ein zustand jenseits brauchbarer kommunikation. am besten, man stellt sich vor, es wäre bereits zehn jahre später, man wäre ein paar jahre weiter. davon entfernt. das gemüt gekühlt. die erinnerungen verschwommen. ach.
manchmal staune ich zurückblickend, dass es möglich ist, eine gleichgültigkeit für jemanden zu empfinden, dem man einst sehr nahe stand, dass es an eine art langeweile grenzt. desinteresse in einem ausmaß, das man nie und nimmer für wahrscheinlich hielt. wenigstens ein besseres gefühl als bitterkeit. aber es braucht schon einen urknall. und den hat man ja - zum glück - mehr als einmal im leben. (mantra...)
Loslassen
Es gibt ja Menschen, die haben sich (aus Gründen) in der "Opferrolle" so eingerichtet, daß unreflektiert alles Tun und Treiben als jederzeit kindhaft unschuldig empfunden wird. Also eine nicht greifbare naivität und mangelndes einfühlungsvermögen. Es wäre, als wolle man von einem Säugling Rücksicht erwarten.
Das verblüfft, verärgert auch mitunter. Man selbst wünscht sich da natürlich mehr Gleichmut und Souveränität. Wie an so vielem, arbeite ich auch daran. Schließlich sind auch meine eigenen sozialen Kompetenzen verbesserungsfähig ;-)
Frau Brückner ist übrigens sehr nett, ich habe mich mit ihr einmal vor einigen Jahren auf der Leipziger Buchmesse unterhalten.