26. Januar 2014
Flashback. Neunzehnhundertfünfund-/sechundachtzig. Es gab ein Leben vor Berlin. Flashback. Aber dann Berlin. Flashback. Wilde Nächte. Flashback. Besuch. Neunzehnhundertachtundachtzig. In Büchern geblättert. Gestern. Nein, ich bin nicht sentimental in Bezug auf Vergangenheit. Es gab sehr schöne Momente. Auch in der Gegenwart. Und in der Zukunft. Ich glaube, ich bin eher sentimental in Bezug auf die Zukunft. Vergangene Gefühle sind gut, um alte Bilder besser erinnern zu können. Dreidimensionaler. Ich bereite nur meinen kleinen Wien-Aufenthalt vor. Ist doch wunderbar, einem wertvollen Menschen aus der Vergangenheit in der Zukunft wiederzubegegnen. An einem anderen Ort, einem besonders schönen dazu. Davon gehe ich aus. Als ich blätterte, stieß ich auch auf eine Horoskopzeichnung, die mein Bruder angefertigt hatte. Darauf steht als Geburtsdatum achtundzwanzigster Oktober. Wieso dachte ich immer 27. oder 29. Oktober? Ich weiß es nicht. Er hatte noch ein zweites Horoskop erstellt, ein Composit. Ich glaube, es war eine Übung für ihn, er hatte gerade gelernt, wie man Horoskope berechnet und er mochte ihn. Sonst hätte er es nicht gemacht. Und da war diese Eintrittskarte aus Zelluloid. Für die Filmpremiere in unserem anarchistischen Kunstverein. Am liebsten erinnere ich mich daran, wie es war hinter dem Tresen zu stehen, und bestimmen zu können, welche Musik lief. Ich liebte es abwechselnd Ramones- und Frank Sinatra-Platten zu spielen. Und die autonomen Jungs fuhren schwer auf My Way ab. Nicht von Sid Vicious gesungen, das Original. Das war mein Verständnis von Punk. Sich das herauszunehmen. Aber ich wollte noch mehr. Ich wollte mir noch mehr herausnehmen. Deshalb bin ich gegangen. Was mich am meisten freut, außer dass er noch lebt, was mir lange Zeit nicht klar war, ist dass ich Recht hatte, mit meiner Vermutung, dass er seinen rebellischen Geist bewahren würde.
Ich werde das überprüfen, am elften Mai. Die abfotografierten Tagebuchseiten rühren daher, dass Victor einfiel, dass wir uns 1988 noch einmal kurz begegnet waren, in Berlin. Ich lebte schon mehr als zwei Jahre dort, seit April sechsundachtzig. Mir war der Besuch entfallen und ich konnte es nicht von der Hand weisen, als ich es selbst im Tagebuch aus diesem Jahr fand. Ich habe nicht alles hier für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht, es gibt drei, vier, zehn Seiten, die nur für ihn sichtbar sind. Von wegen Beweisführung. Mein Gott, wenn ich alles abfotografieren würde, was ich seit meinem elften Lebensjahr auf Papier gekritzelt habe... bis Zweitausenddrei. Ich wäre für die nächsten Jahre beschäftigt. Wie alt war ich Zweitausenddrei...? Achtunddreißig. 27 Jahre Gefühle auf Papier. Und seit Zweitausendvier in dieses Fenster. Ein Wunder, dass ich keine Schriftsteller-Ambitionen habe. Nur bewahren möchte ich es gerne. Aber Eintritt braucht keiner zu bezahlen. Das ist also die grobe Erklärung für die Bilder. Das letzte Zitat ist nicht von mir. Es ist von einem gewissen André Heller, eine Zeile aus einem schönen alten Liebeslied "Auch wenn du nachts betrunken weinst, dann hast du meine Sympathie..." [...] Das ist amüsant, man klebt so eine Fotografie mit einem Zitat unter einen Eintrag, und suggeriert, das hat sicher mit dem im Eintrag Erklärten zu tun. Kann, muss aber nicht. Man kann auch einfach eimal etwas in den Raum stellen. So ganz und gar unzementiert.
g a g a - 26. Januar 2014, 22:09
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