16. November 2011



Wieso denn jetzt noch mehr Bilder von einer Glocke? Eine berechtigte, leicht zu beantwortende Frage. Wie man unschwer erkennen kann, hängt sie nicht im Turm. Das gewaltige, 4,28 Meter hohe Teil steht auf dem Kleinen Marchhof und ist gesprungen, als der Turm 1947 durch die britischen Streitkräfte gesprengt wurde. Bei Wikipedia heißt es, der Turm brannte und war vom Einsturz bedroht, daher die Sprengung. Wir sehen also den Wiederaufbau des Glockenturms, und eine Kopie der Glocke, nicht das Original. Es ist doch wirklich gut, wenn man Bilder macht, die man dann zuhause auf sich wirken lassen kann. Mir fiel jetzt erst, wo ich die Bilder in Ruhe betrachtete auf, dass die zweite Version der Glocke im Turm gar keine Replik ist. Die Beschriftung sieht völlig anders aus, keine Fraktur. An der Stelle wo bei der originalen Glocke die Hakenkreuze waren, ist bei der neuen Glocke nichts. Verständlich. Sogar auf der alten Glocke wurden die kleinen Hakenkreuze am unteren Rand leicht gemorpht. Ich habe auch kein Eichblatt mehr auf der neuen Glocke gesehen. Und der Adler sieht anders aus. Ganz anders. Auf der neuen Glocke ist der Adler, wie man ihn von den alten Fünfmark-Stücken kannte. Ähnlich dem, der heutzutage im Bundestag hängt. Der Adler auf der alten Glocke gefällt mir besser, er ist schlichter, archaischer. Ich meine nicht, wofür er damals herhielt, sondern die reine Silhouette und sein Ausdruck.



Ich mag Adler sehr gerne und bedaure, dass so viele Menschen damit schnöden Idioten-Nationalismus in Verbindung bringen. Das hat er nicht verdient. Der Adler hat mich schon einmal beschäftigt, zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006, als in Berlin und auch überall sonst in Deutschland die beinah gesamte Bevölkerung im WM-Fieber war. Ein bunter Tanz aller Kulturen, die S-Bahn gefüllt mit trommelnden Fans aus aller Herren Länder, mit bunter Kriegsbemalung in ihren jeweiligen Landesfarben auf der Backe. Und die deutschen Gastgeber genauso bunt bemalt in ihren drei Farben, mittendrin. Ein großes fröhliches Fest. Die reinste Love Parade. Und da fing ich an zu bedauern, dass es keine coolen T-Shirts mit einem sexy Adler darauf gibt. Das wäre ganz nach meinem Geschmack gewesen. Man ist ja schließlich auch wer und hat einen Vogel. In dem Blogeintrag von damals sieht man ein selber entworfenes Shirt, das leider nie gedruckt wurde, weil ich keine online-Anbieter fand, die preisgünstig ein freigewähltes weißes Motiv auf Schwarz drucken konnten. Umgekehrt wäre einfach gewesen, aber ich wollte Weiß auf Schwarz! Ich hatte mir sogar eine Schablone gebastelt, in Originalgröße, um zu testen, wie es aussehen würde. Für mich war die Assoziation eher die eines grandiosen, unwiderstehlich kraftvollen Totems. Na gut, das war er für die Idioten früher auch. Aber ich meinte mehr im Geiste von Indianer spielen. Aber nicht kindermäßig, sondern cool wie Lenny Kravitz, kombiniert mit schwarzem Leder, Damals nahm ich den modernen Adler zur Vorlage. Den alten hätte ich mich nicht getraut, obwohl er schöner ist. Wer will schon für einen Nazi gehalten werden. Ich bestimmt nicht. Aber das würde man vielleicht auch mit dem neuen Adler auf der Brust. Na ja, Schwamm drüber. Aber ich finde die Idee immer noch ganz gut.



Wie schrieb ich damals so schön: "den Nazi-Deppen den Adler entreißen". Die vergewaltigten Elemente und Symbole in einen neuen Kontext bringen. Oder in den ursprünglichen. Den sie vor dieser Ära der Gewalt und Menschenverachtung hatten. Das gilt natürlich auch für das sogenannte Hakenkreuz. Das alte Sonnensymbol, das Sonnenrad, das weiß Gott keine Erfindung der Nazis war, aber das weiß man ja heutzutage selbst mit Minimalbildung, dass die Swastika aus einem völlig anderen Kontext kommt. Wir werden sicher nicht mehr erleben, dass diese Symbole die unbefleckte Unschuld zurückerhalten, die sie verdienen. Vielleicht in fünfhundert oder tausend Jahren. Nicht, dass mich das zutiefst bekümmern würde, oder ich eine Sehnsucht hätte, diese Rune zu kritzeln. Dennoch ist es der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit von Details unserer archaischen Herkunft. Das ist nur eine Erklärung, wieso ich mich so ungeniert vor diesem Adler zeige. Eigentlich ist es mein Adler. Ich erhebe Besitzanspruch. Mein Adler ist ein guter, kraftvoller Adler mit Weitblick, Weisheit und Verstand. Finger weg, Alt- und Neo-Nazis.

Frau Klugscheisser - 18. Nov, 11:49

Ich erinnere mich an den Beitrag von der Immendorff Ausstellung. Da war auch ein Adler im Spiel. Und das war damals auch mein erster Kommentar hier.

g a g a - 18. Nov, 12:23

tatsächlich... ja, sein Adler und die Zeile darunter rührte mich ungeheuer...

Haben Sie Das Meer in mir mit Xavier Bardem gesehen? Ich muss dabei gerade an die Szene denken, als er sich gelähmt im Bett liegend aus dem Fenster fliegen träumt.
Frau Klugscheisser - 18. Nov, 12:43

Ja, den Film kenne ich. Die Szene ist sehr kraftvoll.

Da sehen Sie mal, wie aufmerksam ich Ihre Beiträge gelesen habe. Ich kann mich nach Jahren noch daran erinnern.
g a g a - 18. Nov, 14:37

Dachte ich mir vorhin auch, als ich den Kommentar las. Ich hätte es nicht mehr gewusst. Aber die Suchfunktion half meinem Gedächtnis auf die Sprünge. Wir haben uns auch später noch einmal über ihn ausgetauscht.

Sie sind wahrhaftig aufmerksam. Ich weiß das zu schätzen. Es ist selten.

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