1. 18.08.2007, Hamburg. 2. 19.07.2008, Berlin. 3. 19.03.2009, Berlin. 4. 28.10.2015, Berlin. Statistisch treffen sich kid37 und Gaga Nielsen alle zwei Jahre. 75 Prozent der Treffen finden in Berlin statt. Hundert Prozent der Treffen in Berlin finden im Bezirk Mitte statt. 66,66 Prozent der Treffen in der Auguststraße im Lokal Ruz. 33,33 Prozent der Begegnungen in Berlin finden in der Leipziger Straße, im Museum für Kommunikation statt. 25 Prozent aller Treffen finden am Geburtstag von kid37 statt. 60 Prozent der Treffen in Hamburg finden auf dem Friedhof in Ohlsdorf statt. 10 Prozent der Treffen in Hamburg finden an den Landungsbrücken statt, die übrigen 30 Prozent auf Sankt Pauli. Davon entfallen ca. 17 Prozent auf ein portugiesisches Restaurant und 13 Prozent auf das Rotlichtmilieu, die Reeperbahn. Die Gespräche drehen sich zu 100 Prozent um perspolitische Befindlichkeiten. Wir sind ja Befindlichkeitsblogger. Auch Kultur spielt mitunter eine Rolle, aber das fließt so organisch ein, denn wir sind ja beide sehr kultiviert. Der Gesprächsanteil, der sich um andere Blogger innerhalb des Befindlichkeitsaustausches dreht, ist um einige Prozentpunkte gesunken, ich will mich da jetzt aber nicht auf eine Zahl festlegen.
Bei unserer ersten Begegnung in Hamburg war der noch sehr viel höher. Obwohl die statistische Verteilung des zweijährigen Intervalls der Begegnungen nicht der Realität entspricht, da sich zwischen 2007 und 2009 ein jährlicher Rhythmus ergab, und die letzten fünf bis sechs Jahre keine Begegnung (außer im Internet), war unser Treffen nicht befremdlich. Jedenfalls nicht für mich. Das Fremdeln hat ungefähr 3 Minuten und 37 Sekunden gedauert, dann war es verschwunden. Ich habe mich sehr gefreut. Das nächste mal treffen wir uns bestimmt wieder in Berlin, weil ich kein richtiges Reisefieber habe und noch dabei bin zu begreifen, dass meine Wohnung voraussichtlich immer noch für mich da ist, wenn ich Berlin einmal für ein paar Tage verlassen sollte. Ich arbeite noch an diesem Besichtigungstrauma. Kid37 arbeitet dagegen an seinem Berlintrauma und ist da schon ganz gut vorangekommen. Ich habe mich sogar getraut, ihm ein Proviantpäckchen mitzugeben, das ich in einen schwarzen Einkaufsbeutel aus Stoff mit dem Aufdruck C/O BERLIN gepackt habe. Der Beutel ist sicherheitshalber so gestaltet, dass man ihn auch mit der Beschriftung zur Körperseite tragen kann, dann sieht man von außen nur den schwarzen Stoff. Wenn man selber schwarz angezogen ist, was bei kid37 zu ungefähr 97,37 Prozent wahrscheinlich ist, wird der Beutel geradezu unsichtbar. Der Beutel war mein offizielles Geburtstagsgeschenk. Ich habe auch so einen.
Um ehrlich zu sein, sogar drei. Er hat schöne lange Henkel, man kann den Einkauf über der Schulter tragen, sehr praktisch. Ich bin ja immer für praktische Geschenke. Ich habe kid37 erlaubt, dass er auch einen Blogeintrag schreiben kann - Unsinn - ich meine, ich habe ihm ausdrücklich erlaubt, dass er Fotos von unserem Treffen posten darf, ganz nach Belieben, und dass es mich freuen würde, wenn er einen Eintrag posten würde, weil er ja nicht so oft postet, in den letzten Monaten. Außerdem hat er noch nie über ein Treffen mit mir gebloggt. Über hundert Prozent unserer Treffen hat er nichts geschrieben, als hätten wir etwas zu verheimlichen! Weiß er da eventuell mehr als ich? Ich habe jedenfalls nichts zu verheimlichen und zeige alle Fotos her. Vier in der Reihe sind von ihm, also von den gemeinsamen Selbstportraits. Die wollte er erst nicht herausrücken, aber ich habe ihn mit dem Versprechen überredet, dass ich das so zurechtschnippeln kann, dass es passt.
Oder findet irgendjemand, dass hier Fotos zu sehen sind, die nicht passen oder die man lieber hätte wegschmeißen sollen? Ich finde nicht. Falls doch, bitte fundiert begründen. Ich freue mich immer noch über den Besuch von kid37 und über alle Bilder. Und meine Leser/innen bestimmt auch. Es gibt heutzutage viel zu wenige Berichte über Treffen von befreundeten Bloggern mit Bildmaterial. Ich werde das weiter kultivieren. Bei fünfzig Prozent unserer Treffen habe ich gar keine Portraitfotos von ihm gemacht, ich war zu schüchtern das eine mal, und das andere Mal hat es sich nicht ergeben. Somit sind hundert Prozent aller Fotos, auf denen er zu sehen ist, im Ruz und in der Auguststraße entstanden. Und zwar bei denkbar schwierigen Lichtverhältnissen, es war immer schummrig oder dunkel. Und wenn man das noch berücksichtigt, sind die Bilder doch wirklich mehr als in Ordnung. Das nächste mal wünsche ich mir eine andere Location für unser Shooting, man muss auch mal für Experimente offen sein. Ich könnte mir auch vorstellen, dass man sich mal in Westberlin trifft. No Risk, no Fun.
Vielleicht steckt in mir doch eine Medizinerin. Ich meine nicht Heilpraktikerin, sondern: Chefärztin. Leitende Position in der Berlin Ultrahigh Field Facility. B.U.F.F. Schon alleine die Abkürzung. Passt auch in eine der Sprechblasen im Inneren. An den Wänden des Kubus, auf allen Stockwerken, befinden sich riesige Cartoons, in der Tradition von Clark Kent. Alleine wegen dieses Comic Strips hat es sich gelohnt, sich als Probandin für eine Ganzkörper-Magnetresonanz-Tomographie der NaKo zur Verfügung zu stellen.
Aber eins nach dem andern, zum rekapitulieren. Die NaKo ("Nationale Kohorte") hatte mich und noch 9.999 andere Berliner/innen per Zufallsgenerator ausgewählt, um in einer Langzeitstudie, die vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben wurde, über einen Zeitraum von dreissig Jahren (oder auch länger) in fünfvier-Jahres-Abständen mit allen erdenklichen modernen Technologien und Tests und Befragungen, die körperliche und psychische Verfassung, Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu dokumentieren, zu untersuchen, und anhand der Datenfülle Rückschlüsse auf mögliche Ursachen von Volkskrankheiten oder eben Volksgesundheiten abzuleiten. Man hat mich zunächst Ende August sechs Stunden lang in der Charité einer Reihe von Tests unterzogen, alle möglichen Flüssigkeiten abgezapft, ich musste Denkspielchen machen, Gedächtnis- und Belastungstests, noch dazu an einem sehr heißen Hochsommertag in unklimatisierten Räumen. Und drei Tage später hatte ich einen Termin für ein Ganzkörper-MRT, das zweitausend der zehntausend Berliner bekommen, sogenannte Level-2-Probanden. Es kämen nicht alle zehntausend in Frage, da man diese Untersuchung nicht jedem zumuten kann. Man wurde befragt, ob man sich in der Lage sieht, eine ganze Stunde lang komplett regungslos in einer Liegeposition zu verharren. Da keine Stimmungsaufheller oder andere Psychopharmaka bei dieser Studie in Frage kommen, schieden Probanden mit Platzangst von vorneherein aus. Ebenso Personen mit Tätowierungen (wegen des unwägbaren Metallanteils in den Farbpigmenten), Piercings und metallhaltigen Prothesen. Außerdem war Glitzer-Make up ausdrücklich untersagt. Letzeres hätte in meinem Fall der einzige Hinderungsgrund sein können, aber ich dachte, es ist schon einmal machbar, im Dienste der Forschung für ein bis drei Stunden auf das übliche Glitzer-Make up zu verzichten. Selbst auf die Gefahr hin, dass mich keiner mehr auf den Fotos erkennt. Ich hatte natürlich geplant, ausführlichst zu fotografieren. Leider enthält meine Kamera aber Metall-Elemente und musste deswegen in der Umzieh-Kabine bleiben. Ich konnte den Kubus auch nicht so ohne weiteres durch eine offene Tür betreten. Überall waren Warnschilder, auf einem stand gefährlich MAGNETOM! Es war schon ein bißchen Science Fiction-mäßig.
Aber genau das hatte ich mir ja insgeheim erhofft. Ich hege aus einer Art allgemeiner Neugier Sympathie für futuristische Apparate und Hochtechnologie, die uns ja letzen Endes auch ermöglicht, hier im Internet herumzugurken. Ich klingelte an einer Metall-Säule bei "Nationale Kohorte" und eine Stimme meldete sich. Ich gab an, dass ich einen Termin als Level-2-Probandin habe, um 15:30 Uhr. Die weibliche Stimme sagte, ich werde abgeholt. Eine Assistentin kam aus dem Kubus und bat mich durch den Eingang, ihr zu folgen. Ich sah im Treppenaufgang als erstes den schwebenden Clark Kent und war schon sehr fasziniert. Wir fuhren ins Obergeschoss des Würfels und ich wurde ungefähr eine halbe Stunde lang aufgeklärt, was mit mir gemacht wird, und zu Erkrankungen und Operationen und Metallteilen und Tattoos befragt. Ich wiederum fragte nach Stimmungsaufhellern und dem Musikprogramm. Der Mitarbeiter war sehr amüsiert und eröffnete mir, dass er mich nach Hause schicken müsste, wenn ich der Meinung sei, ich bräuchte für diese Untersuchung im Dienste der Forschung Stimmungsaufheller, weil ich sonst unter Angstzuständen litte. Wenn dem so sei, käme ich nicht in Frage. Da ich aber offensichtlich gar nicht vorgab, ernsthafte Ängste zu haben, gab es keinen Grund für mich, das zu behaupten. Ich war ja auch viel zu neugierig auf den Apparat. Es entspann sich noch eine Diskussion darum, ob ich nicht doch ein kleines Foto machen könnte, von dem beeindruckenden Gerät, in dem ich verschwinden würde, bevor es losginge. Für mein Blog hier, ich hätte es doch meinen Lesern versprochen etc. pp. und wie stünde ich nun da, wenn ich mit leeren Händen zurückkäme, meine Glaubwürdigkeit wäre dahin. Aber er blieb knallhart. Im Übrigen hatte er zwei Piercings am Ohr. Ich wurde stutzig. Wird hier etwa mit zweierlei Maß gemessen? Angeblich keine Metallteile beim Magnetom und er darf doch so hinein? Das wären Aluminium-Piercings klärte er mich auf, Aluminium wäre kein Problem. Also ich kam nicht weiter in der Fotosache. Nun gut. Ich wurde mit einer weißen Kluft und weißen Schlappen in die Umziehkabine entlassen. Dort habe ich (allerdings erst danach) ein paar Fotos gemacht. Man sieht nur eine weiße Zelle mit einem Spiegel. In dem weißen Anzug sah ich eigentlich aus wie die Chefärztin, also auf jeden Fall professioneller als die Mitarbeiter der B.U.F.F, die nicht einmal weiß gekleidet waren. Ich sagte zu dem jungen Mann, der die Untersuchung steuern würde: "Ich finde, ich sehe aus, als würde ich hier arbeiten oder?" Er meinte in etwa "Ja, absolut, soll ich Frau Doktor sagen?".
"Ja, gerne!". Aber die ganzen Witzeleien nützten nichts. Ich fragte noch mal, ob ich nicht doch vielleicht ein Foto, nur so durch die offene Tür...? "Nein. Müssen Sie dann eben Ihren Lesern beschreiben!" Ich bekam Ohrstöpsel und einen Kopfhörer. Aber nicht für Musikberieselung, sondern für das Empfangen von Befehlen, die man mir geben würde. Atembefehle, um genau zu sein. Wenn Musik laufen würde, könnte ich die Kommandos überhören, daher, nicht wahr. Ich rechnete mit dem schlimmsten Krawall, denn meine Leser hatten mich ja bereits vorgewarnt und ich hatte zur Vorbereitung auch schon nervige youtube-Videos angeschaut und vor allem angehört. Fürchterliches Gehämmer und Gefiepe, ohne Unterlass. Damit rechnete ich nun. Aber es kam doch sehr viel anders. meine Gliedmaßen wurden noch einmal in Position gerückt, ich lag flach auf dem Rücken, unter den Kniekehlen waren Polster zur Positionierung. Dann wurden an der Brust und am Kopf irgendwelche Drähte und Sensoren angelegt und zuguterletzt so eine Art Gitterhelm über meinen Kopf gelegt. Das war schon recht Doktor-Frankenstein-mäßig futuristisch. Ab und zu hat es schon mal gesummt. Man teilte mir mit, dass ich die Augen schließen könnte oder auch sollte und dann wieder konnte ich es halten, wie ich wollte. Ich wurde rückwärts komplett in die Röhre gefahren und hatte die Augen mal so ein bißchen blinzelnd auf, als ich gerade wieder durfte, und sah ein Farbenspiel über mir in allen Spektralfarben, eine ganze Weile war es so rosa-pink, sehr hübsch. Wie man sich das bei Farbtherapie-Bestrahlung vorstellt. Dann sollte ich die Augen wieder schließen und die ersten Scan-Geräusche fingen an. Es waren ganz viele unterschiedliche Töne und die ersten fünf Minuten gab es noch keine Atemkommandos. Ich hatte weder Angst noch Beklemmungen, rechnete allerdings dauernd damit, dass noch ganz schlimmes Hämmern oder dergleichen käme, das war aber nur manchmal vereinzelt der Fall. Es gab ziemlich viele Pausen zwischen den Tönen, manchmal über einen Zeitraum von bis zu zehn, fünfzehn Sekunden überhaupt keine Geräusche. Es war also gut auszuhalten. Die Liegeposition war auch o.k. Noch. Dann begannen die Kommandos von einer Frauenstimme über Kopfhörer, ich wurde aufgefordert, einen möglichst langen, tiefen Atemzug zu nehmen, dann wieder möglichst lange auszuatmen, dann die Luft anzuhalten. Und so weiter und so fort. Dann wieder umgekehrt. Dann war wieder ein paar Minuten das Scan-Geräusch, dann wieder Kommandos. Der Rhythmus war recht unberechenbar, man wusste nicht, wann das nächste Kommando-Intervall kommt und wieviele. Also konnte ich nicht einfach wegdämmern und ein Nickerchen machen. Die Geräusche waren weiterhin sehr erträglich, überwiegend ganz leichtes Tackern und Summen, aber nichts, was so unangenehm gewesen wäre, wie ein Presslufthammergeräusch oder quietschende Tafel-Kreide oder eine Alarm-Sirene. Die Auto-Alarmanlagen, die manchmal bei mir mitten in der Nacht in der Nachbarschaft zu tröten anfangen, sind weitaus unangenehmer, als die Geräuschpalette von diesem MRT-Apparat. Aber da gibt es sicher auch Unterschiede. Ich war ja immerhin in der BERLIN ULTRAHIGH FIELD FACILITY! Mich beeindruckt der Name so dermaßen, ich kann ihn gar nicht oft genug tippen. Nach ungefähr einer halben Stunde sagte mir der Untersuchungsleiter über Kopfhörer, dass ich jetzt die Hälfte überstanden hätte und es sähe schon alles sehr gut aus, wir kämen gut voran! Von da an zählte ich schon ein bißchen die Minuten, aber ich musste weiter aufmerksam mitarbeiten. Es war schon auch Arbeit. Aber so in den letzten zwanzig Minuten war ich noch einmal besonders gefordert. Mir schlief nämlich mein linker Fuß, besonders im Bereich der Zehen ein, es bizzelte schon so komisch, wie kleine Stecknadeln, der Fuß wollte Bewegung, nur ein bißchen rotieren, nur ein ganz kleines bißchen. Aber ich durfte ja nicht. Dann hätte unterbrochen werden müssen, und an einer bestimmten Stelle wieder von vorne und dann hätte alles womöglich noch eine halbe Stunde länger gedauert. Ich wollte es nur zu Ende bringen und versuchte mit meinem Fuß und dem dort befindlichen Blutkreislauf zu kommunizieren. Nun gab auch ich Kommandos. Natürlich ohne Worte. Ich befahl meinen fünf Zehen und dem vorderen Fußballen bitte noch durchzuhalten, es wäre ja nun bald vorbei und dann könnten sie sich bewegen, wie nie zuvor in ihrem ganzen Leben. Ich versuchte innerlich eine Art Bewegung im Fuß zu simulieren, indem ich partielle Muskelanspannung in den Zehen betrieb und gleichzeitig Bewegung vermied. Ein Kraftakt. Unglaublich. Ich versuchte dann wieder an etwas ganz anderes zu denken. Schöne Erlebnisse aus der Vergangenheit. Aber dann gab es wieder ein Kommando. Aber so ein Kommando lenkt ja auch ein bißchen ab. Und dann endlich die Erlösung. "Sie haben es geschafft.". Alles bestens. Sehr gut geworden. Ich fuhr aus der Röhre und der Kopfkäfig und die Kabel und Sensoren wurden entfernt. Ich richtete mich langsam wieder auf und ließ die Zehen kreisen, bis wieder Gefühl zu spüren war. Ich erzählte dem Chef-Kommandeur, dass die letzte Viertelstunde echte Arbeit war, wirklich größte Anstrengung, aber ich wollte es nicht versauen. Er hat zugegeben, dass das schon eine außergewöhnlich lange Angelegenheit ist, aber dafür wären die Aufnahmen auch vollständig verwertbar geworden. Ich hatte ja vorher auch noch beklagt, dass ich nicht nur keine Fotos kriege, sondern auch keine DVD wie andere Patienten. Aber ich bin ja eben keine Patientin. Er hat mir das erklärt, dass diese DVDs nur für die weiter behandelnden Ärzte gemacht werden und es sich dabei niemals um ein Ganzkörper-MRT handelt, nur partielle Aufnahmen, eingegrenzte Regionen oder Organe. Bei mir wäre das durch die Ganzkörperdokumentation so eine riesige und komplexe Datenfülle, das könnte man nicht mal eben so brennen und mir mitgeben, abgesehen davon, dass es sich um internes Studienmaterial handelt, das nur für die NaKo bestimmt ist. Aber er könnte mir ausnahmsweise ein paar Einblicke auf seinem Monitor geben. Ich könnte mich einstweilen wieder umziehen und dann zeigt er mir ein paar Sachen. Ich bin doch leicht erschöpft in die Kabine und habe hinter verschlossener Tür ein paar Fotos geschossen, weil ich ja nun auch wusste, andere Aufnahmen dürfte ich gar nicht machen. Wenigstens meinen ultrahigh magnetisierten Zustand und diesen Anzug wollte ich festhalten.
Ich sah ein bißchen verwurstelt aus. Ich machte schnell ein paar Bilder, zog dann schnell meine Sachen an und ging in den Raum, wo er das Datenmaterial auf einem Rechner hatte, er hatte zwei große Monitore vor sich und führte mir meinen Schädel in 3-D vor. Ich fand ihn eigentlich sehr schön, vor allem das Kleinhirn gefiel mir ausnehmend gut, wie ein kleines Bäumchen. So auf den ersten Blick sah es nicht aus, also ob dort irgendein unheimlicher Fleck wäre, der auf irgendetwas zu Operierendes schließen ließe. Aber der technische Versuchsleiter klärte mich auf, dass die abschließenden Auswertungen von einem Ärzteteam gemacht werden, nicht von ihm, er kontrolliert nur die Aufnahme und die Datenverarbeitung, aber er meinte auch beschwichtigend, dass man das schon erkennen würde, wenn da jetzt etwas stark Abnormes wäre. Ich konnte mir dann noch ein paar Körperpartien aussuchen, die ich gucken durfte. Stark hat mich die Wirbelsäule beeindruckt, mit den Bandscheiben und den Fasern, und allem was da so ist, überhaupt, wie knackig so ein Skelett aussieht. Jedenfalls - in meinem Fall - bedeutend knackiger, als wenn ich dieselben Partien auf herkömmlichen Fotos sehe. Es ist schon ein Wunderwerk. Die Gebärmutter hat mich auch interessiert, weil die anders als bei anderen ausschaut und ich sie seit 1986 nicht mehr gesehen habe. Der Assistent war sofort im Bilde, ich hatte ihm aber auch vorher gesagt, dass ich einen Uterus duplex habe, und er meinte noch, angesichts der MRT-Bilder, dass der schon sehr gut ausgeprägt wäre, klar getrennt. Sieht ein bißchen wie ein Herz aus. Na gut, wie auch immer. Es war seltsam bewegend, sich aus dieser inneren Perspektive zu sehen. Diese hochkomplexe Körpermaschine aus Abermillionen Einzelteilen. Ich war dann doch ganz zufrieden, auch ohne Fotos und DVD. So eine MRT-DVD hätte ich ja auch nicht mal eben bei Fllickr oder youtube hochladen können. Ich weiß ja gar nicht, was das für ein Format ist. Als ich nun noch mehr Ecken der Etage gesehen hatte, weil ich unbedingt aufs Klo musste, und noch mehr der tollen Cartoons entdeckte, sprach ich den Mitarbeiter noch mal darauf an, ob ich nicht vielleicht wenigstens von einem der Bilder ein Foto machen könnte...? Nein, leider untersagt, überall, tut ihm ja auch leid. Er erzählte mir aber, dass es die Geschichte von einem Patienten ist, der von einem Magnetresonanz-Tomographen eingesogen und verschluckt wird und was er da dann alles erlebt. Ich versicherte wahrheitsgemäß, dass es mir (trotzdem) Spaß gemacht hat und sehr interessant war. Er verabschiedete mich sehr freundlich mit den Worten "Na, dann sehen wir uns ja wieder in vier Jahren! Bis dann!" Schon komisch, so eine Verabredung in vier Jahren zu haben. Nach unten habe ich dann die Treppe genommen und dann doch ganz schnell heimlich ein einziges Foto von dem fliegenden Clark Kent im Treppenhaus gemacht (ganz ohne Gewissensbisse!)
Und dann bin ich aus dem Würfel herausgegangen. Zur Bushaltestelle, Richtung S-Bahn Berlin Buch, wo ich dann den Spaziergang zwischen Gestrüpp und Pferdekoppel gemacht habe, der Eintrag vorher. Als ich daheim war, kam ich auf die Idee, im Internet zu schauen, ob der Wandcartoon nicht irgendwo dokumentiert ist, es ist ja keine beliebige Tapete. Und ich fand die Seite des Künstlers mit einer Dokumentation dieses ganzen Projektes mit sehr schönen Fotos. So gut hätte ich das auf die Schnelle gar nicht fotografieren können. Und natürlich gibt es auch Bilder von dem Apparat, wo ich drin war, auf verschiedenen Seiten der B.U.F.F mit vielen zusätzlichen Informationen. Ich hatte mich natürlich auch erkundigt, inwieweit ich eine Auswertung bekommen würde, bzw. ob überhaupt, von diesem Ganzkörper-MRT. Man hat mir gesagt, wenn bei der Auswertung, die unmittelbar in den darauffolgenden Tagen stattfindet, ein Befund zutage tritt, eine Unregelmäßigkeit, die näher untersucht werden sollte oder einer ärztlichen Behandlung bedürfte, würde man angerufen werden und den Befund auch per Post mitgeteilt bekommen. Das ist in einigen - selteneren - Fällen auch schon geschehen. In zwei hatten Level-2-Probanden unverzüglich, wenige Stunden nach dem MRT, eine jeweils lebensrettende Operation. Wenn alles normal aussieht, bekommt man keinen Anruf und keine Post. Wenn Post kommt, dann sehr bald, ca. drei Tage danach. Ich habe die drei Tage überstanden, kein Anruf. Und noch mehr Tage. Keine Post von der B.U.F.F. Nur die Gesamtauswertung mit allen möglichen Werten der Charité, von der Untersuchung davor, der sechsstündigen. Alles soweit in Ordnung. Die Details sind wohl eher für Mediziner interessant, die ganzen Fachausdrücke, da braucht man ja ein Lexikon. Ich habe ganz viel gegoogelt, weil ich nur die wenigstens Werte auf Anhieb verstanden habe. Die Leberwerte sind seltsamerweise sogar eher im unteren Bereich. Darauf einen Toast.