10. september 2004
ich komme gerade aus meiner badewanne. schwefelbad. („stinkt das nicht?“ nein. das stinkt nicht. „dr. klopfers schwefelbad“ aus der apotheke riecht nicht nach faulen eiern.) jetzt noch ein bier drauf. vielleicht motiviert mich das ja, ein bißchen was zu schreiben.
man kommt von einer reise zurück und dann kommen fragen. „und? wie war’s? was hast du erlebt, was hast du gesehen, was hast du gegessen, wie ist es da so? wetter? leute? wen hast du getroffen?“ dieselben fragen eben, die ich selber so, oder ähnlich auch frage.
also. was soll ich erzählen. was wissen leute über island? oder: wollen, sollen sie wissen?
geysire, vulkane, wasserfälle, heiße quellen, mythen, elfengeschichten. björk. komisches wetter. islandpferde. schafe.
ja. es stimmt. geysire, vulkane, wasserfälle, heiße quellen, mythen, elfengeschichten. viele björks*. komisches wetter. islandpferde. schafe. [ *björk= birke; häufiger mädchenname ]
„und? was noch?“
da soll dann ja immer noch mehr sein, als wäre das nicht schon genug.
gut. dann das: es gibt neuigkeiten. die erde lebt. wer das noch nicht so richtig vollständig begriffen hat, kann ja mal nach island fahren und auf einem schlafenden tiger spazieren gehen. ihn ein bißchen mit den wanderschuhen kitzeln, und dann faucht er. das ist die erde. sie lebt tatsächlich. endlich begreift man mit händen und füßen, dass da feuer in den eingeweiden kocht. man hat es ja schon geahnt. sie kann gefährlich werden, die alte erde. ich mag das.
island schert sich einen dreck darum, für menschen ein bequemes oder gar idyllisches fleckchen zu sein. auf island würde von island aus kein einziger baum wachsen. die paar schüchternen birken sind von den wikingern aus norwegen eingeschleppt worden. island ist auch nicht „grün“ wie manche meinen, im sinne von „grün“ wie irland, das wird wohl auch schon mal irgendwie verwechselt. das bißchen grün zwischen viel braun, grau und schwarz kommt von dem vielen moos, das auf den lava-aschebergen wächst. zäh. zauberhaft.
ja, gras hier und da, das ja. der rest steinwüste und gletscher und fluten und matsch. erdrisse. ich liebe erdrisse. rauch, immer wieder rauch. fumarole, solfatare, wie die geologen die dampfenden löcher und blubbernden schlammdinger nennen. (ja, es kommen noch bilder.)
durch dieses einsame land wurde ich von einem seltenen exemplar von guide geführt. hákon hákonarson, ein 45jähriger isländer, der nicht müde wurde, zu betonen, er sei der letzte wikinger. punkt. so albern das klingt - wenn man ihn dann gesehen hat, erübrigte sich jede weitere frage. auf den ersten blick eine grobschlächtige undurchdringliche erscheinung. sehr groß. sehr kräftig. stupsnasig. gut im futter. hellblaue augen, beinahe schon durchsichtig. rotblonde kurz geschorene haare. eiskalter blick.
beim frühstück wiederkehrende bemerkungen zur potenzsteigernden wirkung von lebertran. er nimmt immer zwei löffel. dagegen salz nur sparsam: schlecht für die potenz. „das scheint dich ja sehr zu beschäftigen“ sage ich. plötzlich unerwartet, dröhnendes, ja heiteres lachen. ich glaube es kaum. der kann lachen.
er schwärmt in deutsch mit isländischer stakkato-sprachmelodie mit rollendem r von der großen kinderfreundlichkeit der isländer: „wiiirr lassän die kiindärr kommänn! so, wie sie es wollen. wiiirr sagän nicht, dass man sich das kind nicht leistän kann, wie es die deutschen sagän. wiiihr mögän alle kindärr, die kommen wollän.“
wie viele kinder hast du denn? frage ich neugierig. eigentlich fast ungläubig, da mir doch ein seltener eigenbrötler gegenüber sitzt. „zwölf kindärr.“ antwortet er. „zwei kindärr und zehn elfenkindärr“. aha. tja. hm. so so. sehr interessant. elfenkinder also. hm ja sicher doch. warum auch nicht. von denen wimmelt’s hier ja nur so. in den isländischen dunklen wintern flüchtet er regelmäßig nach tibet, schreibt dort in einem kloster weiter an seiner doktorarbeit in anthropologie, ein mythenforscher. das wird ja immer unglaublicher.
im sommer verdient er dann geld mit wüsten fahrten und wandertouren für experimentierfreudige wie mich, durch unwirtliche gegenden von island, gletscherflüsse durchquerend, geheime plätze plötzlich stumm zeigend. am abend kochen wir. ich darf gemüse schnippeln und eine art dickmilch mit erdbeeren („erdbeben“ für ihn, das einzige deutsche wort, das er dauernd und wie ich meine – absichtlich - verwechselt) für den nachtisch verrühren. er kocht die hauptmahlzeiten. er ist der chef, er hat den zündschlüssel. es gibt frische fische aus dem mývatn-see. die hat er zwar nicht selbst geangelt aber immerhin extra für uns, bei einem angler am mývatn bestellt. kartoffeln werden bei ihm grundsätzlich nicht gepellt, genauso wie ich es mag. er mariniert keulen von jungen lämmern in thymian, öl und knoblauch, pfeffer, salz. zwei tage später kommen die keulen auf einen hüttengrill in landmannalaugar. oder war es thorsmörk. ich kriege nicht genug davon.
den abgenagten knochen schabe ich mit meinem kleinen wikinger- messer, einer museums-replik aus norwegen, das ich um den hals trage und das jetzt für meine experimentelle archäologie herhalten muss. verdammt scharf mein messerchen. ideal um haut von knochen zu lösen. ahh! genau. ach so. ja. eben. genau. ein kleiner weißblonder junge kommt an der versteckten bank vorbei, auf der ich in der abendsonne in thorsmörk sitze und schabe. er schaut mir zu und fragt dann: „beyn?“ ich sage „ja. bone“. bein. gebein.
später in der dämmerung neugierig zum riesigen feuerplatz. ein erdkreis von fünfzehn oder mehr metern, von gras und moos befreit. in der mitte ein ring von felsendicken findlingen um ganze birkenstämme, so groß es eben geht, zu einem kegel aneinandergelehnt. im großen feuer die reptilienmuster der lodernden birke. der fotoapparat endgültig kaputt. meine treue olympus mag nicht mehr. ich verzeihe ihr. ich fotografiere das feuer und die weißblonden kinder mit dem dritten auge. sie halten marshmallows auf stöckchen ins feuer und quietschen vor freude. und singen. kleinere kinder fassen sich an beiden händen und drehen sich juchzend im kreis um das feuer. jemand spielt gitarre. isländische lieder, ein paar bekannte melodien darunter, aber immer mit isländischem text. alle singen, die die lieder kennen. mir sind die meisten fremd, aber ich mag das unerwartete kleine fest in der augustdämmerung. ich mag island.
man kommt von einer reise zurück und dann kommen fragen. „und? wie war’s? was hast du erlebt, was hast du gesehen, was hast du gegessen, wie ist es da so? wetter? leute? wen hast du getroffen?“ dieselben fragen eben, die ich selber so, oder ähnlich auch frage.
also. was soll ich erzählen. was wissen leute über island? oder: wollen, sollen sie wissen?
geysire, vulkane, wasserfälle, heiße quellen, mythen, elfengeschichten. björk. komisches wetter. islandpferde. schafe.
ja. es stimmt. geysire, vulkane, wasserfälle, heiße quellen, mythen, elfengeschichten. viele björks*. komisches wetter. islandpferde. schafe. [ *björk= birke; häufiger mädchenname ]
„und? was noch?“
da soll dann ja immer noch mehr sein, als wäre das nicht schon genug.
gut. dann das: es gibt neuigkeiten. die erde lebt. wer das noch nicht so richtig vollständig begriffen hat, kann ja mal nach island fahren und auf einem schlafenden tiger spazieren gehen. ihn ein bißchen mit den wanderschuhen kitzeln, und dann faucht er. das ist die erde. sie lebt tatsächlich. endlich begreift man mit händen und füßen, dass da feuer in den eingeweiden kocht. man hat es ja schon geahnt. sie kann gefährlich werden, die alte erde. ich mag das.
island schert sich einen dreck darum, für menschen ein bequemes oder gar idyllisches fleckchen zu sein. auf island würde von island aus kein einziger baum wachsen. die paar schüchternen birken sind von den wikingern aus norwegen eingeschleppt worden. island ist auch nicht „grün“ wie manche meinen, im sinne von „grün“ wie irland, das wird wohl auch schon mal irgendwie verwechselt. das bißchen grün zwischen viel braun, grau und schwarz kommt von dem vielen moos, das auf den lava-aschebergen wächst. zäh. zauberhaft.
ja, gras hier und da, das ja. der rest steinwüste und gletscher und fluten und matsch. erdrisse. ich liebe erdrisse. rauch, immer wieder rauch. fumarole, solfatare, wie die geologen die dampfenden löcher und blubbernden schlammdinger nennen. (ja, es kommen noch bilder.)
durch dieses einsame land wurde ich von einem seltenen exemplar von guide geführt. hákon hákonarson, ein 45jähriger isländer, der nicht müde wurde, zu betonen, er sei der letzte wikinger. punkt. so albern das klingt - wenn man ihn dann gesehen hat, erübrigte sich jede weitere frage. auf den ersten blick eine grobschlächtige undurchdringliche erscheinung. sehr groß. sehr kräftig. stupsnasig. gut im futter. hellblaue augen, beinahe schon durchsichtig. rotblonde kurz geschorene haare. eiskalter blick.
beim frühstück wiederkehrende bemerkungen zur potenzsteigernden wirkung von lebertran. er nimmt immer zwei löffel. dagegen salz nur sparsam: schlecht für die potenz. „das scheint dich ja sehr zu beschäftigen“ sage ich. plötzlich unerwartet, dröhnendes, ja heiteres lachen. ich glaube es kaum. der kann lachen.
er schwärmt in deutsch mit isländischer stakkato-sprachmelodie mit rollendem r von der großen kinderfreundlichkeit der isländer: „wiiirr lassän die kiindärr kommänn! so, wie sie es wollen. wiiirr sagän nicht, dass man sich das kind nicht leistän kann, wie es die deutschen sagän. wiiihr mögän alle kindärr, die kommen wollän.“
wie viele kinder hast du denn? frage ich neugierig. eigentlich fast ungläubig, da mir doch ein seltener eigenbrötler gegenüber sitzt. „zwölf kindärr.“ antwortet er. „zwei kindärr und zehn elfenkindärr“. aha. tja. hm. so so. sehr interessant. elfenkinder also. hm ja sicher doch. warum auch nicht. von denen wimmelt’s hier ja nur so. in den isländischen dunklen wintern flüchtet er regelmäßig nach tibet, schreibt dort in einem kloster weiter an seiner doktorarbeit in anthropologie, ein mythenforscher. das wird ja immer unglaublicher.
im sommer verdient er dann geld mit wüsten fahrten und wandertouren für experimentierfreudige wie mich, durch unwirtliche gegenden von island, gletscherflüsse durchquerend, geheime plätze plötzlich stumm zeigend. am abend kochen wir. ich darf gemüse schnippeln und eine art dickmilch mit erdbeeren („erdbeben“ für ihn, das einzige deutsche wort, das er dauernd und wie ich meine – absichtlich - verwechselt) für den nachtisch verrühren. er kocht die hauptmahlzeiten. er ist der chef, er hat den zündschlüssel. es gibt frische fische aus dem mývatn-see. die hat er zwar nicht selbst geangelt aber immerhin extra für uns, bei einem angler am mývatn bestellt. kartoffeln werden bei ihm grundsätzlich nicht gepellt, genauso wie ich es mag. er mariniert keulen von jungen lämmern in thymian, öl und knoblauch, pfeffer, salz. zwei tage später kommen die keulen auf einen hüttengrill in landmannalaugar. oder war es thorsmörk. ich kriege nicht genug davon.
den abgenagten knochen schabe ich mit meinem kleinen wikinger- messer, einer museums-replik aus norwegen, das ich um den hals trage und das jetzt für meine experimentelle archäologie herhalten muss. verdammt scharf mein messerchen. ideal um haut von knochen zu lösen. ahh! genau. ach so. ja. eben. genau. ein kleiner weißblonder junge kommt an der versteckten bank vorbei, auf der ich in der abendsonne in thorsmörk sitze und schabe. er schaut mir zu und fragt dann: „beyn?“ ich sage „ja. bone“. bein. gebein.
später in der dämmerung neugierig zum riesigen feuerplatz. ein erdkreis von fünfzehn oder mehr metern, von gras und moos befreit. in der mitte ein ring von felsendicken findlingen um ganze birkenstämme, so groß es eben geht, zu einem kegel aneinandergelehnt. im großen feuer die reptilienmuster der lodernden birke. der fotoapparat endgültig kaputt. meine treue olympus mag nicht mehr. ich verzeihe ihr. ich fotografiere das feuer und die weißblonden kinder mit dem dritten auge. sie halten marshmallows auf stöckchen ins feuer und quietschen vor freude. und singen. kleinere kinder fassen sich an beiden händen und drehen sich juchzend im kreis um das feuer. jemand spielt gitarre. isländische lieder, ein paar bekannte melodien darunter, aber immer mit isländischem text. alle singen, die die lieder kennen. mir sind die meisten fremd, aber ich mag das unerwartete kleine fest in der augustdämmerung. ich mag island.
g a g a - 10. September 2004, 15:25