17. November 2011



Der sogenannte Kleine Marchhof ist das Areal zwischen dem Maifeld und linker Hand vom Stadion. Die Historie ist für mich nicht so spannend oder relevant, der Platz hat heute keine besondere Funktion mehr. Im Gegensatz zu der Ära, bevor das 'neue' Olympiastadion 1934 - 1936 erbaut wurde. Da, wo heute das Stadion ist, war auch früher eine Stätte der Körperertüchtigung und athletischer Wettbewerbe, damals hieß es Deutsches Stadion, dessen Architekt Otto March war. Aber das nur am Rande. Ich habe einfach als ich der Menge der Bilder, die ich gemacht hatte, gewahr wurde, beschlossen kleinere und damit besser verdauliche Häppchen daraus zu machen und da bot sich die kleine Serie des Kleinen Marchhofs an. Auch weil das Licht und die Stimmung dort so anders war. Es war schon später Nachmittag und die Sonne stand schon tief, als ich mich langsam Richtung Ausgang bewegte. Ich dachte an die vielen griechischen Tempel, die ich in den Neunziger Jahren besucht hatte, als ich viel und gerne auf griechische Inseln reiste. Zwischen dem Franken- und dem Schwabenturm sank die Sonne so schön und reflektierte einen Abglanz in diesen verglasten Bodeneinlassungen, deren Sinn ich bis heute nicht ganz erhellt habe. Wie Solar-Paneele sind sie in den Rasen eingefügt. Es könnten auch Deckenlichter für darunter liegende Räume sein. Die Vorstellung gefällt mir. Der Kleine Marchhof. Eine kleine Etappe mit besonderem Licht. Mehr nicht.


17. November 2011

Meta meta. Ich schreibe mich gerade unter einem Beitrag von Frau Klugscheißer in den Kommentaren um Kopf und Kragen, falls es jemanden interessiert. Es geht um das Bloggen selbst und um Kommentaraktivitäten und nichtzuletzt um Klatschvieh, wie ich es gerne nenne. Die böse Formulierung ist nicht von mir, sondern ich habe sie irgendwann bei einem lieben Freund, dem sehr geschätzten Jochen Reinecke aufgegabelt.

Kleine Kostprobe:

- Anfang des Kommentars -

gaga, 17. November 2011, 10:33
"Insofern hat FB und Co eben einen Trend erspürt, nämlich die abzuholen, die trotz eingeschränkten Audruckrepertoires sich dennoch ausdrücken möchten und ihnen zudem Leser in Form von Freunden/Followern zu garantieren."

Musste eben lachen, ob der Formulierung, aber so einfach ist es nicht. Eingeschränktes Ausdrucksrepertoire wird auch von vielen gepflegt, die durchaus zu mehr fähig werden, sich aber vermutlich lieber auf twittertimelines verzetteln, auf vielen Hochzeiten tanzen und hier und dort schnell mal ihre Eloquenz in 140 Zeichen unter Beweis stellen. Die meisten Twitterer wären vermutlich hochgradig beleidigt, wenn man ihnen eingeschränktes Ausdrucksrepertoire unterstellen würde, und betrachten das im Gegenteil sogar als eine Art Sport ihr sensationelles Ausdrucksrepertoire auf wenige Worte einzudampfen. Ich habe da auch überhaupt nichts dagegen und muss auch manchmal über die Äußerungen lachen, die ich allerdings nur selektionsweise von der Kaltmamsell kenne, die ja immer diese kleinen Sammlungen postet.

Ich habe im Laufe der Zeit ein bißchen schlechte Laune darüber bekommen, dass sich auf fb, wo ich das Spielchen vor ca. zwei Jahren auch mal ein paar Wochen verfolgte, Leute, die früher ausgiebig und mit schöner Regelmäßigkeit, ja Liebe bloggten, ihren Fokus dann auf fb verlegten und ihre Zeit mit dem verplempern, was sie für "vernetzen" halten. Und auch die bloggenden Twitterer haben meist ihren Aktionsschwerpunkt massiv verlagert.

Das ist das, was ich mit Grundrauschen meine, es geht überhaupt nicht darum, sich schriftlich zu äußern, wertvolle Gedanken zu formulieren, sondern um Kontaktpflege und sich der eigenen Existenz und Wertschätzung auf einem leicht zu handelnden Niveau zu versichern.

Ist ja auch alles erlaubt und in Ordnung, wenn es sich kuschelig anfühlt. Ich darf mir überhaupt nicht herausnehmen, mich darüber zu erheben, weil ich komplett anders ticke, das sind für mich Ereignisse auf fremden Planeten. Ich schreibe in meinem Blog im Grunde Schulaufsätze, bei denen ich mir viel Mühe gebe, meine gedankliche Dynamik in Worte zu fassen. Der Unterschied zu früher (also zu Schulzeiten) ist nur, ich kann mich nicht darauf verlassen, dass jemand den Part der Lehrerin übernimmt, die sich das in Ruhe durchliest und Anmerkungen dazu macht. Und mir eine Note gibt. Das hätte ich eigentlich ganz gerne, einen dynamischen gedanklichen Ausstausch, aber das ist offenbar zu viel verlangt, der Anspruch von mir ist eindeutig zu hoch. Natürlich finde ich es schade, dass ich das Gefühl habe, mit großer Gewissenhaftigkeit an meine aufwändigen Aufsätze ranzugehen (ich rede jetzt nicht unbedingt von diesen kleineren Äußerungen zwischendurch, das geht ruckzuck, meine Gedanken rotieren sowieso immer turbomäßig) aber keine auf ähnlichem Level rotierenden Leser zu haben. Bzw. gibt es zwar welche, die den Intellekt durchaus hätten, aber sich dann nicht an einem Kommentar abarbeiten wollen. Und sei es nur "ich verfolge das mit Interesse, habe aber das Gefühl, keinen ebenbürtigen Kommentar formulieren zu können". Ein bißchen beleidigt bin ich da auch schon, gebe ich zu, da ich ja nun bei einem Blick in die Zugriffszahlen sehe, dass es durchaus gelesen wird. Ich merke, ich muss gerade sehr aufpassen, dass ich nicht überheblich werde.

Das fängt schon da an, dass sich mir die Haare bei dem Beispiel sträuben, den Sie oben anführten. Von wegen, manche könnten eben so toll schreiben, dass sie auch über einen Furz bloggen könnten. Lassen Sie mal die Kirche im Dorf. Es wird bereits über den Furz gebloggt. Und nicht auf sensationellem literarischen Niveau. Man muss sich eben auch bei den Lesern entscheiden: will man Klatschvieh, schreibt man am besten gut verdaulichen Durchschnitt. Wenn der Fokus nicht auf intensivem Grundrauschen in Form von Plapper-Feedback liegt, kann man sich überlegen, ob man sich originärem Denken und dessen Formulierung verschreibt, aber auf quantitaves Feedback verzichtet.

Ja, die kleinen Heimaten. So ist es.

- Ende des Kommentars -

16. November 2011



Wieso denn jetzt noch mehr Bilder von einer Glocke? Eine berechtigte, leicht zu beantwortende Frage. Wie man unschwer erkennen kann, hängt sie nicht im Turm. Das gewaltige, 4,28 Meter hohe Teil steht auf dem Kleinen Marchhof und ist gesprungen, als der Turm 1947 durch die britischen Streitkräfte gesprengt wurde. Bei Wikipedia heißt es, der Turm brannte und war vom Einsturz bedroht, daher die Sprengung. Wir sehen also den Wiederaufbau des Glockenturms, und eine Kopie der Glocke, nicht das Original. Es ist doch wirklich gut, wenn man Bilder macht, die man dann zuhause auf sich wirken lassen kann. Mir fiel jetzt erst, wo ich die Bilder in Ruhe betrachtete auf, dass die zweite Version der Glocke im Turm gar keine Replik ist. Die Beschriftung sieht völlig anders aus, keine Fraktur. An der Stelle wo bei der originalen Glocke die Hakenkreuze waren, ist bei der neuen Glocke nichts. Verständlich. Sogar auf der alten Glocke wurden die kleinen Hakenkreuze am unteren Rand leicht gemorpht. Ich habe auch kein Eichblatt mehr auf der neuen Glocke gesehen. Und der Adler sieht anders aus. Ganz anders. Auf der neuen Glocke ist der Adler, wie man ihn von den alten Fünfmark-Stücken kannte. Ähnlich dem, der heutzutage im Bundestag hängt. Der Adler auf der alten Glocke gefällt mir besser, er ist schlichter, archaischer. Ich meine nicht, wofür er damals herhielt, sondern die reine Silhouette und sein Ausdruck.



Ich mag Adler sehr gerne und bedaure, dass so viele Menschen damit schnöden Idioten-Nationalismus in Verbindung bringen. Das hat er nicht verdient. Der Adler hat mich schon einmal beschäftigt, zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006, als in Berlin und auch überall sonst in Deutschland die beinah gesamte Bevölkerung im WM-Fieber war. Ein bunter Tanz aller Kulturen, die S-Bahn gefüllt mit trommelnden Fans aus aller Herren Länder, mit bunter Kriegsbemalung in ihren jeweiligen Landesfarben auf der Backe. Und die deutschen Gastgeber genauso bunt bemalt in ihren drei Farben, mittendrin. Ein großes fröhliches Fest. Die reinste Love Parade. Und da fing ich an zu bedauern, dass es keine coolen T-Shirts mit einem sexy Adler darauf gibt. Das wäre ganz nach meinem Geschmack gewesen. Man ist ja schließlich auch wer und hat einen Vogel. In dem Blogeintrag von damals sieht man ein selber entworfenes Shirt, das leider nie gedruckt wurde, weil ich keine online-Anbieter fand, die preisgünstig ein freigewähltes weißes Motiv auf Schwarz drucken konnten. Umgekehrt wäre einfach gewesen, aber ich wollte Weiß auf Schwarz! Ich hatte mir sogar eine Schablone gebastelt, in Originalgröße, um zu testen, wie es aussehen würde. Für mich war die Assoziation eher die eines grandiosen, unwiderstehlich kraftvollen Totems. Na gut, das war er für die Idioten früher auch. Aber ich meinte mehr im Geiste von Indianer spielen. Aber nicht kindermäßig, sondern cool wie Lenny Kravitz, kombiniert mit schwarzem Leder, Damals nahm ich den modernen Adler zur Vorlage. Den alten hätte ich mich nicht getraut, obwohl er schöner ist. Wer will schon für einen Nazi gehalten werden. Ich bestimmt nicht. Aber das würde man vielleicht auch mit dem neuen Adler auf der Brust. Na ja, Schwamm drüber. Aber ich finde die Idee immer noch ganz gut.



Wie schrieb ich damals so schön: "den Nazi-Deppen den Adler entreißen". Die vergewaltigten Elemente und Symbole in einen neuen Kontext bringen. Oder in den ursprünglichen. Den sie vor dieser Ära der Gewalt und Menschenverachtung hatten. Das gilt natürlich auch für das sogenannte Hakenkreuz. Das alte Sonnensymbol, das Sonnenrad, das weiß Gott keine Erfindung der Nazis war, aber das weiß man ja heutzutage selbst mit Minimalbildung, dass die Swastika aus einem völlig anderen Kontext kommt. Wir werden sicher nicht mehr erleben, dass diese Symbole die unbefleckte Unschuld zurückerhalten, die sie verdienen. Vielleicht in fünfhundert oder tausend Jahren. Nicht, dass mich das zutiefst bekümmern würde, oder ich eine Sehnsucht hätte, diese Rune zu kritzeln. Dennoch ist es der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit von Details unserer archaischen Herkunft. Das ist nur eine Erklärung, wieso ich mich so ungeniert vor diesem Adler zeige. Eigentlich ist es mein Adler. Ich erhebe Besitzanspruch. Mein Adler ist ein guter, kraftvoller Adler mit Weitblick, Weisheit und Verstand. Finger weg, Alt- und Neo-Nazis.

16. November 2011

Siebenundsiebzig Komma Siebzehn Meter. Das klingt nicht so sensationell hoch, aber schön. Ich also rauf auf den mir bis dato unbekannten Glockenturm, der wie ein Riesenschornstein aus der Langemarckhalle wächst. Berlin hat eine Reihe Aussichtspunkte. Den Grunewaldturm, den ich nur von unten kenne. Den Fernsehturm natürlich. War ich oben. Den Funkturm? Kann man da überhaupt rauf? War ich auch noch nicht. Den Müggelturm. War ich vor zwei Jahren. Die Kantine vom sogenannten "Steglitzer Kreisel", dem Bezirksamt von Steglitz. Ein 27 Etagen hoher kleiner Wolkenkratzer, in dem mir beide Male leicht schwindelig wurde im Fahrstuhl, nicht wegen der Aussicht, sondern wegen des veränderten Luftdrucks. Man musste schlucken, wie manchmal im Flieger. In die Kantine konnte ja jeder rein, hatte mir mal jemand verraten. Hat keiner kontrolliert. War ja vielleicht auch völlig erlaubt.



Aber wir sind ja beim Glockenturm am Olympiastadion, der von außen nun wirklich keine bemerkenswerte Architektur aufweist. Halt ein viereckiger Turm. Man nimmt den gläsernen Fahrstuhl, bis es nicht weiter geht und zur Aussichtsplattform muß man eine recht schmale Treppe hoch, ein bißchen gefährlich, wie meistens bei der obersten Etage von Türmen. Ich bin zum Glück nicht gehbehindert und hatte keine Probleme mit dem Aufstieg. Zum Glück schreibe ich deswegen, weil es mir sehr bewusst wurde beim Hochgehen, was für ein Glück das ist. Die letzten zwei Meter der Treppe nach oben musste ich nämlich eine ganze Weile in die Ecke an die Wand gedrückt innehalten, bis ein vor mir mehr stehender als gehender junger Mann oben angelangt war. Es gab keinen Spielraum, um mich gefahrlos an ihm vorbeizubewegen. Ich schätze ihn Mitte Zwanzig. Er wurde begleitet, ja geleitet und fest gehalten. Mit unübersehbarem Kraftaufwand. Eine junge Frau gab ihm Anleitungen, sagte ihm, ob er sich mit den Füßen an der Kante einer Stufe befindet und hielt ihn mit all ihrer Kraft. Er stand nicht aufrecht, aber versuchte sich so gut wie möglich in voller Länge aufzurichten, offenkundig hauptsächlich mit der Kraft seiner Arme. Ich sah das Zittern der Muskeln seiner Hand und der Unterarme. Und die Anspannung der jungen Frau, die all ihre Kraft aufbrachte. Es sah gefährlich aus. Ich war hin- und hergerissen zwischen Befürchtung und Bewunderung. Ein riskantes, beinah akrobatisches Unterfangen. Die junge Frau signalisierte, dass sie keine Hilfe brauchen konnte, ich hatte ihr einen fragenden Blick zugeworfen. Ein falscher ungeübter Handgriff meinerseits hätte die Sache offenkundig noch gefährlicher gemacht. Womöglich hätte ich ihm den Arm verdreht und ihm eher weh getan als geholfen. Ich begriff gar nicht vollständig, welche Behinderung er genau hatte. Ich dachte an schwere motorische Störungen und Muskelschwund. Ich stand gefühlte zehn Minuten auf dem engen Treppenabsatz, dicht an die Wand des Turms gedrückt um möglichst wenig Platz einzunehmen und sah ehrfürchtig gebannt zu. Was für ein Kraftakt. Dann öffnete die Frau die schwere Eisentür zur Plattform, sie war die ganze Zeit zu, weil er den Griff der Tür zum Festhalten und zum nach oben Ziehen brauchte. Der Weg war wieder frei. Ich brauchte für den Weg, den er in zehn Minuten zurücklegte, zehn Sekunden.




Oben ließ ich mich vom Wind durchpusten und sah die Waldbühne zum ersten Mal von oben. Und das Olympiastadion natürlich. Schon schön, das nach einem guten Vierteljahrhundert in Berlin mal gesehen zu haben. Und die jagenden Wolken. Und die komische Antenne da. Wofür die wohl gut ist. Die Mütze flog mir gleich vom Kopf und wehte in eine andere Ecke der Plattform. Ich fing sie wieder ein und klemmte sie mir unter den Arm. Der junge Mann mit der Gehbehinderung und die Frau waren nur recht kurz oben, weil sie es wahrscheinlich auch kräftemäßig nicht übertreiben konnten. Ich war ein ganzes Weilchen oben und vergaß ein bißchen die Zeit. Bestimmt eine Viertelstunde. Bis auf einen kleinen Jungen war da niemand. Dann hatte ich alle Eindrücke fest im Gedächtnis, im Herzen und der Kamera und machte mich auf den Rückweg. Der junge Mann und seine Helferin hatten es noch nicht ganz die Treppe herunter geschafft, aber fast. Da sah ich den Rollstuhl. Sie half ihm in den Rollstuhl, der am Treppenende wartete. Da begriff ich erst, dass der junge Mann nicht gehbehindert, sondern gelähmt war. Deshalb sah es aus, als ob die Füße bei seinem Bemühen sich fortzubewegen, nur passiv der Richtung folgen, die er sich mit seinen Armen erarbeitete. Ich war noch tiefer beeindruckt als ohnehin schon. Mir war nach Lachen und Weinen zugleich, aufgewühlt wartete ich auf den Fahrstuhl nach unten. Es rotierte in meinem Kopf. Weil es keinen behindertengerechten Zugang zur Aussichtsplattform gab, hatte er seine Helferin dazu gebracht, den riskanten Aufstieg durch die Kraft seiner Arme zu wagen, um in den Genuss dieses Ausblickes über seine Heimatstadt Berlin zu kommen. Auf einen Aussichtsturm, dessen Bauherren Behinderte als unwertes Leben betrachtet hatten. Es rauschte in meinem Kopf. Die Ära ist vorbei.



Niemals wird irgendein Behinderter in diesem Land mehr ungestraft diskriminiert, gequält, verletzt oder umgebracht werden. Und ich habe zwei gesunde Beine, die mich Treppen aus eigener Kraft hochtragen. Was für ein ganz und gar unvergesslicher Nachmittag.

15. November 2011

(...) Erinnert sich gar nicht, daß wir zusammen auf die Schule gegangen sind. Sagt munter »Sie«. - Gut. Sie. Mir ist das recht. Ich bin ohnehin schwer zum DU zu kriegen. Ich finde mit »Sie« bleibt in der schärfsten Diskussion eine kleine Verbeugung. Ich hab sie gern, die hübsche Glaswand. Bis die Franzosen »Tu« sagen, kann ein Menschenalter vergehen. Je vous aime, da liegt noch Achtung drin, ein Artikel, den man so notwendig braucht in der Liebe. Emma, trag mir mal den Koffer. Sehen Sie, was ich meine?
Friedrich Hollaender, Von Kopf bis Fuß, S. 94

15. November 2011

Margarete Mitscherlich, Hildegard Hamm-Brücher und Vera von Lehndorff im Gespräch. Sehr sehenswert.



Die auf dem Tisch im Studio liegende Biographie von Vera von Lehndorff ist jene, über die sie an diesem schönen Abend vor mehr als zwei Jahren sprach.

14. November 2011

(...) Paul Graetz beugt sich nach vorn, wo Knackfuß sein Ohr hat. »Der liebe Gott«, flüstert er. »Ringelnatz ...« Wie bitte? »Das ist Ringelnatz - - pscht!« Ringelnatz? Wie heißen bloß die Leute hier!

So alle paar Jahrhunderte wird ein Lyriker geboren, bei dem die Verse kichern, aber sie haben sich nicht die Tränen aus den Kommas gewischt. Jetzt können wir wieder zwei Jahrhunderte warten.

Diese Verse - ! Sie sind alle so zum Schreien komisch, - aber, werte Herren, was sie so traurig macht, das können Sie auch mit Alkohol nicht herausreiben. Er selbst war, wenn er die Bühne betrat, mit dem ewigen Schnapsglas wie bewaffnet, um sich Mut zu machen. Mut? Wozu?

Ach, wissen Sie, es erfordert Mut, anderen das Gelächter der Einsamkeit mitzuteilen. Es gibt da allerhand zu überwinden. Unter anderem den kleinen Scherzartikel: Scham.

Friedrich Hollaender, Von Kopf bis Fuß, S. 81

14. November 2011

Mal ein bißchen Farbe. Ist auch gar nicht grau hier. Sonniger November. War bis jetzt nur einmal wolkig, vor drei oder vier Tagen.



Es gibt jeden Tag ordentlich Sonnenflecken auf dem Teppich. Wenn ich das Fenster der Gaube zur Auguststraße aufmache und die Sonne so tief steht, kriegt man ein paar Stunden schön was ab. Und muss nicht frieren. Draußen sind die Menschen warm eingepackt, gehen aber gerne raus, weil die Sonne lockt. Sehe ich, wenn ich zum Spielplatz runtergucke. Immer ordentlich was los.

Zur Zeit muss ich sparen. Ich habe einen super Sparplan gemacht. Ich darf in sieben Tagen fünfzig Euro ausgeben. Bis der Monat rum ist. Die fünfzig-Euro-Scheine sind in beschriftete Umschläge verpackt. Solche Spielchen gefallen mir. Neulich war ich sogar bei Aldi und habe mit großer Begeisterung meinen Einkaufszettel abgearbeitet und dabei immer mit einem Stift Notizen gemacht, wieviel das kostet, um zwischendurch zu überschlagen, ob ich noch in meinem Budget bin. Ich habe dann bald gemerkt, dass keine Gefahr besteht und drei Sachen vor der Kasse aufgehört, zu addieren. Das mache ich jetzt immer, das macht Spaß! Zumindest für ein Weilchen. Am Schwierigsten finde ich allerdings, nicht nur bei Aldi, die Käsepreise zu vergleichen. In jeder Packung ist ein anderes Gewicht abgepackt und auf den Schildern steht immer sowohl der absolute Packungspreis als auch der Preis für 100 Gramm oder 1 Kilo von der jeweiligen Käsesorte. Das macht mich ganz wuschig, dass das nicht einheitlich ist! Dauernd muss man umrechnen! Das ist ganz schön anstrengend. Aber sonst gibt es keine Probleme beim Preisvergleich. Ich achte natürlich trotzdem auf Qualitätsprodukte! Interessant, dass Cashewkerne, die ich in großem Umfang verzehre, auch bei Aldi nicht superbillig sind. Das ist ganz bestimmt angemessen. Ich glaube, eine Dose 1,59 EUR.

Sehr begeistert bin ich, dass es zur Zeit immer Beutel mit Elstar-Äpfeln aus Brandenburg oder anderen umliegenden Bundesländern zu tollen Preisen gibt. Das ist meine Lieblingssorte und die Äpfelchen sind vertrauenserweckend klein und krumm und schief. Das schafft Vertrauen! Empört hingegen bin ich über die neue Marotte bei den anderen parfümierten Apfelsorten aus dem Ausland, die ich eh nicht kaufe, weil sie mir nicht schmecken, mit ihrem aufgeplusterten Fruchtfleisch und dem parfümierten Zuckerwasser-Aroma: Aufkleber auf jedem einzelnen Apfel! Als es neulich noch keine neue Elstar-Ernte gab, musste ich mal notgedrungen solche ausländischen erstehen. Was für ein Gepopel mit dem Aufkleber. Ich bin richtig zornig geworden deswegen!

Was ich nicht mehr bei Aldi kaufen werde, ist der tiefgefrorene Rahmspinat, der ist mir zu versuppt. Ohne Rahm gibt's nicht bei Aldi. Spinat ist super wegen Magnesium. Auch in den Cashews! Soll auch gut sein, wenn der Eisprung weh tut. Das ist also, was mich gerade so persönlich beschäftigt! Ansonsten verzichte ich weitgehend auf soziale Kontakte, was als seelische Rekonvaleszenz zu verstehen ist. Eine Art Kur!

Des weiteren überlege ich mir, ob ich mir mal wieder Haarfarbe im Drogeriemarkt kaufe, weil die unteren Haarspitzen so ausgeblichen ausschauen. Nicht mal wegen den grauen, die ab und zu auftauchen. Noch hat keiner mit dem Finger auf mich gezeigt und gesagt: "Schau mal, die alte Frau da hinten". Insofern bin ich da ganz relaxed. Außerdem gibt es immer mal wieder ein paar investigative junge Leute am Hackeschen Markt, die den Passanten irgendwelche Spenden oder Mitgliedschaften für wohltätige Initiativen abringen wollen. Kinderschutz, Tierschutz, Amnesty International. Und einige arbeiten mit dem Trick, einen mit "junge Frau...!" anzusprechen. Das funktioniert zwar nicht bei mir, aber ich freu mich trotzdem! Und ich werde immer geduzt von den jungen Studenten! Ich habe ja mal gelernt, dass laut Knigge, der oder die Ältere dem Jüngeren das Du anbietet. Von Hause aus duzen macht man ja eigentlich nur unter Hippies und SPD-Genossen und in der Jugend, wenn man sich sicher wähnt, es mit seinesgleichen zu tun zu haben. Insofern: vielen Dank an die jungen Studenten!

Neulich war ich allerdings ein wenig ungehalten. So ein junger, obzwar nicht unattraktiver Kinder-Patenschaften-in-Afrika-Werber hat sich irgendeinen Satz zurecht gelegt, so sinngemäß (und hat sich im Übrigen e r d r e i s t e t , mich zu siezen, der Lümmel): "Sie mögen doch sicher auch Kinder?" Da ich es wie so oft eilig hatte, so schnell als nur möglich zurück in meine einsiedlerische Wohnung zu kommen, war ich nicht verhandlungsbereit und habe behauptet "Nein! Ich kann Kinder nicht ausstehen! Ich fresse Kinder!" Er daraufhin: "Ja aber dann ist das doch genau das Richtige! Sie machen so eine Patenschaft und dann haben Sie eins zum Fressen!" Und grinst mich breit an. Damit hat er mich natürlich versöhnlich gestimmt und ich habe ihm zum Abschied ein aufmunterndes Lächeln geschenkt. Geradezu beschwingt bin ich weiter zur Ampel. Allerdings ohne Patenschaft.

Also mehr habe ich jetzt wirklich nicht zu berichten. Zu intimeren Bekenntnissen bin ich im Moment nicht bereit. Wobei ich nicht dafür garantieren kann, dass nicht doch etwas zu Tage tritt, wenn jemand geschickt nachbohrt. Ich bin aber auf jeden Fall in Hab-Acht-Stellung!

14. November 2011

[ Ich muss den Eintrag von vorhin nochmal neu posten, weil ich schon wieder was hintendran geklöppelt habe. Passiert manchmal, dass mir eine halbe Stunde später noch Zeug dazu einfällt und ich dann editierend weiterstricke und der geneigte Leser kriegt es gar nicht mit. Das stiftet unnötige Verwirrung! ]

Bei meinem morgendlichen Spaziergang durch das Internet sehr gerührt bei der Rubrik "wir begrüßen die neuen Berliner" oder so ähnlich von der Berliner Morgenpost angehalten und freudig einen Blick auf die neuesten Babyfotos geworfen. Entweder stimmt irgendwas nicht mit mir oder die meisten Neugeborenen sehen wirklich nicht sehr attraktiv aus bzw. ist der Anteil an ansprechenden Gesichtszügen keinesfalls höher als in anderen Altersgruppen. Unter den ungefähr zwanzig Babies waren ungefähr eineinhalb, die für meine Begriffe eine angenehme Persönlichkeit ausstrahlen und das sogenannte Kindchenschema im Gesichtchen präsentieren. Hat mich doch überrascht. Entspricht aber auch meiner live-Erfahrung in der S-Bahn. Die meisten Kleinkinderbündel sind nicht gutaussehender als der durchschnittliche erwachsene S-Bahnfahrgast.

In meinem persönlichen Umf entfernteren Bekanntenkreis gab es in den letzten Monaten ebenfalls Kindersegen. Ist leider auch keines dabei, das ich unbedingt hüten möchte. Ich habe da wahrscheinlich auch komische Vorlieben. Mich selber fand ich als Kleinkind außerordentlich putzig. Auch die Kinderfotos, die Blogger neulich von sich gepostet haben, waren überraschend attraktiv. Man bekam gleich Adoptionsgefühle. Ich bin ein bißchen hin- und hergerissen bei der Babygalerie in der Mopo. Einerseits tun mir die betreffenden Babies leid, dass ich sie nicht niedlich finden kann, andererseits denke ich, da sieht man mal, dass das mit der Reinkarnation vielleicht doch kein Humbug ist. Als ob jede Menge alte Gesichter in der Wiege liegen würden. Ich sehe bei einigen* eher alte Männer und Frauen als unbefleckte unschuldige Kinderseelen. Zum Teil gruselt es mich da sogar. Ob das anderen auch so geht? Ist ja auch eines dieser Tabus, Babies nicht wahllos herzig zu finden und auch nicht höflichkeitshalber so zu tun als ob.

Hab noch mal geguckt. Die Rubrik heißt "Willkommen in Berlin" und der Anteil ist doch etwas höher. Neun von achtundvierzig Babies sehen ganz niedlich aus. Die Idee mit der Rubrik finde ich aber sehr trotzdem anrührend. Eine schöne Geste, wenn man frisch ausgeschlüpft ist, gleich einen begeisterten Zeitungsartikel geschrieben zu kriegen. Ich wollte damit im Übrigen auch nicht zum Ausdruck bringen, dass unattraktive Babies abgeschafft gehören. Das müsste man dann schon auf alle Altersgruppen ausweiten und das Spektrum macht die Welt ja auch wieder interessant. Wenn alle gleich attraktiv wären, wäre die Welt ja auch langweilig auf Dauer. War jetzt eigentlich mehr so eine Selbstbeobachtung, Ausdruck einer gewissen Irritation oder besser Erhellung, was meine eigenen Hinwendungs-Ambitionen angeht.

Man könnte auch sagen: eine schöne Tradition, wenigstens die kleinsten Menschen lückenlos glauben zu machen, sie sind hochgradig liebenswert, so wie sie halt zufällig sind. Eine barmherzige kleine Schwindelei, die niemandem wehtut. Erklärt allerdings vielleicht auch, das Gefühl der Frustration beim fortschreitenden Älterwerden, wenn es nicht mehr gemäß unausgesprochener gesellschaftlicher Vereinbarung gepflegt wird, die Mitmenschen wahllos mit Zuneigung und Komplimenten zu beglücken. Ich unterstelle mal, dass es keinen derart grausamen pubertären Mutationsprozess gibt, der aus superlativen Engeln durchschnittliche Erwachsene gebiert. Glaube ich zumindest nicht.

Ich denke, die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Die scharfen Kanten der Babypersönlichkeit sind nicht so sehr weit von denen der Erwachsenenpersönlichkeit entfernt. Immerhin geben die meisten Eltern von mehreren Kindern zu, dass der Nachwuchs schon im frühesten Lebensalter dezidierte und oft sehr unterschiedliche Charaktereigenschaften an den Tag legt. Na ja, big news. Dank Internet und Bloggerei können wir als Erwachsene die abhanden gekommene, lückenlose Begeisterung über die eigene Person einigermaßen ausgleichen, indem wir uns möglichst toll mit schlauen Texten und tollen Bildchen präsentieren. Quasi für Erwachsenen-Duzi-Duzi. Also ich bin froh drum!

Jetzt wollte ich eigentlich mal etwas leicht Konsumierbares schreiben, na ja.


* Nr. 6., 15., 29., 44.

14. November 2011

Der Hahn auf dem Hof
und die Spatzen vorm Haus
die lachen die kleinen
Langschläferchen aus
Nun schnell in die Strümpfchen
in Höschen und Kleid
"Guten Morgen, Frau Sonne
jetzt sind wir so weit!"

(Verf. unbek.)

g a g a
P.S. Das Album Stubete...
20.04.24, 16:25
g a g a
Klaus Ungerer Gaga...
20.04.24, 16:10
g a g a
Klaus Ungerer cool,...
20.04.24, 15:09
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Gaga Nielsen 20. April...
20.04.24, 14:57
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Margarete 20. April...
20.04.24, 14:54
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Lydia G. Jan Sobottka:...
20.04.24, 14:50
g a g a
Jan Sobottka wie war...
20.04.24, 14:43
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ANH 19. APRIL 2024...
19.04.24, 12:57
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Ina Weisse Wusstest...
17.04.24, 13:33
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🧡
17.04.24, 00:21
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17.04.24, 00:18
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16.04.24, 14:19
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Christoph M. Haha,...
15.04.24, 10:46
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Isabel Bogdan Wow,...
14.04.24, 22:26
g a g a
iGing
Ich hoffe, das ist...
14.04.24, 11:17
g a g a
Ina Weisse Liebe Gaga,...
13.04.24, 09:22

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