26. Dezember 2013

Ich sag mal so: ich war im Kino. Schon gestern. Am Nachmittag. Am spätern Nachmittag. Es war schon dunkel. Was eigentlich ideal war. Nicht nur wegen der Geschichte. Auch weil man ja nach Einbruch der Dunkelheit schon das eine oder andere Glas Wein zu sich nehmen darf. Nun waren meine Erwartungen keineswegs überhöht, da sich überhöhte Erwartungen in meinem Leben einfach selten bewährt haben. Außer vielleicht in Amerika. Als ich nach Amerika gefahren, also mit dem Flieger hin bin, hatte ich auch ganz schöne Erwartungen. Wo ich dann da war, sind sie noch mal komplett übertroffen worden. So ähnlich war es gestern auch mit dem Film. Nein, halt, ich hatte ja keine großen Erwartungen, nur so mittelgroße. Der Filmregisseur hat Jim Jarmusch geheißen, von dem habe ich schon mal gehört. Es gibt in meinem weißen Billy-Regal sogar zwei oder drei selber aufgenommene VHS-Cassetten aus den Achtziger oder Neunziger Jahren, wo so Filme von ihm drauf sind. Die habe ich alle gesehen. Stranger than Paradise musste man ja sowieso gesehen haben, weil man sich sonst blamiert hätte und außerdem habe ich 1986 oder 87 John Lurie live im Metropol gesehen und dann wollte ich gucken, wie er sich als Schauspieler macht. Jetzt, wo ich schon so am Plaudern bin, kann ich natürlich auch noch verraten, dass ich Jim Jarmusch nicht nur von Fotos kenne. Auch nicht nur aus dem Fernseher. Damals, also früher, wo ich noch studiert habe (sieben bis acht Semester Nachtleben an verschiedenen renommierten Hochschulen in Berlin), habe ich in der Mensa vom Ex und Pop in Schöneberg oder war es in der Turbine Rosenheim (nein, nicht in Rosenheim, auch in Schöneberg), hin und wieder Professor Jarmusch an der Getränkeausgabe angetroffen. Ich möchte jetzt nicht sagen getroffen, aber doch angetroffen. Links von ihm stand dann öfter Professor Cave und rechts von ihm Professor Bargeld. Das war so ein Trio, das sich fachlich unheimlich viel zu sagen hatte, war so mein Eindruck. Professor Jarmusch war damals schon komplett grau. Professor Cave hatte aber noch ganz volles Haar. Und Professor Bargeld war noch ziemlich schlank, fast zu schlank. Neulich habe ich ihn in der Rosenthaler Straße gesehen, da auf der Seite von Rossmann und dem Altenheim. Er war ganz gut im Futter, aber nicht so füllig wie unlängst, und hat eine Brezel aus der Hand gegessen, im Gehen. Die Haare hatten einen flotten Haarschnitt, ganz frisch, und auch der wollene Herrenmantel saß tipptopp. Oder schreibt man das tiptop? Egal.

Was ich aber ja eigentlich erzählen wollte ist, dass ich also gestern im Kino war. Ich glaube, das allererste mal in diesem Jahr. Zum Nikolaus habe ich nämlich einen Gutschein geschenkt gekriegt, für eine Kinokarte der Soundso-Gruppe, die haben mehrere Kinos in Berlin, mit Verzehrgutschein für sechs Euro. Ich habe mich also fein gemacht und war fest entschlossen, mein Nikolausgeschenk gut zu investieren. Ehrlich gesagt, gingen meine Berechnungen auch ein wenig in die Richtung, dass wenn der Film blöd oder langweilig wäre, ich immerhin in einem coolen Kino sitzen würde, neben anderen coolen Kinobesuchern, weil natürlich nur supercoole Kinogänger die erste Aufführung von einem neuen Jim Jarmusch-Film in Originalfassung mit deutschen Untertiteln gucken würden, außerdem am ersten Weihnachtsfeiertag. Ein Top-Coolness-Indikator. Wie man ja an mir sieht! Ich wurde auch gut aufgenommen und mit freundlichen Blicken bedacht. Auch hatte ich mich fein gemacht. Das würde jetzt zu weit führen, im Einzelnen zu beschreiben, was ich gestern anhatte. Es sah jedenfalls gut aus und ein bißchen extravagant. Passend zum Film! Ich war zeitig da und bestellte mir gleich das erste Glas Wein, und außerdem konnte ich, obwohl das Licht im Foyer vom International recht schummrig ist, mit zusammengekniffenen Augen noch ein bißchen das Tagesspiegel-Interview mit Jim Jarmusch lesen. Den Tagesspiegel gabs auch gratis. Alles gratis gestern. Es war wie Weihnachten! Und fast hätte ich es vergessen: als ich die Kinokarte am Glashäuschen geholt habe, habe ich noch eine Schokoladenkugel geschenkt gekriegt. In rotes Stanniol-Papier eingewickelt. Ich habe sie aufgehoben. Erst muss die andere, angebrochene Schokolade weg.

Was ich ja aber eigentlich sagen wollte war, in welchem Film ich war. Also der Film heißt "Only Lovers Left Alive". Und - ach so, bevor ich auf den Film komme, ich habe mir einen Platz in der allerersletzten Reihe, im Mittelblock, ganz rechts, den Platz am Gang ausgesucht. Mit viel Beinfreiheit. Ich konnte die Beine sogar übereinanderschlagen, das mach ich gerne. Als der Film dann anfing (vorher gab es interessante Reklame, an die ich mich aber nicht mehr erinnern kann), habe ich mir schnell noch das zweite Glas Wein geholt. Ein guter Silvaner, vor allem die Wirkung. Aber um auf den Film zu kommen: er hat mir richtig gut gefallen, obwohl ich Vampirfilme total langweilig finde. Das Besondere an dem Film war aber etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe. Es hat irgendwie ausgeschaut wie in Wohnungen, wo ich schon war und es war auch ein bißchen wie bei mir daheim und solche Sachen habe ich auch schon erlebt. Nur eben ohne Blut im Glas. Ich habe mich wie daheim gefühlt. Manchmal musste ich fast weinen, weil es so ein Déjà-vu war. Und das meine ich jetzt nicht witzig, obwohl ich hier so launig herumtippe. Ich war ganz verzaubert, auch wenn es manchmal um gar nichts ging. Die Bilder und die Musik und die beiden und der Typ mit seinen ganzen Gitarren und Verstärkern und Büchern und dem ganzen Zeug und Tilda in Marokko und die kreisende Kamera am Anfang. Das war ganz meine Welt. Deswegen habe ich danach gedacht, eigentlich kann ich darüber gar nicht angemessen bloggen, weil ich kann ja nicht schreiben, dass ich den Film empfehle, weil dann geht einer rein und denkt sich: da geht es doch irgendwie gar nicht so richtig um was, wo ist die Geschichte? Aber mir war es wie in die warme Badewanne eintauchen. Also ich kann den Film nicht jedem empfehlen. Aber denen, die wissen wollen, was für ein Lebensgefühl jemand wie Gaga Nielsen hat. Das klingt jetzt vielleicht übertrieben, aber ich kann es nicht besser beschreiben. Adam wird von einem Schauspieler gespielt, habe ich gelesen, aber ich habe gestern gedacht, Adam spielt sich selber. Adam ist ein Rockmusiker mit super vielen E-Gitarren und einer heimeligen Wohnung, wo die alle rumstehen. Ach. Na ja. Ich kann eben keine Filmkritiken schreiben, das können andere besser. Vorhin hab ich bei kid37 angefangen, mich zu verplappern, dass ich gestern in dem Film war. Ich wollte nur einen kurzen Kommentar machen und dann wurde es immer mehr. Und jetzt habe ich gedacht, wenn ich schon da so viel erzählt habe, kann ich ja für mein Tagebuch hier auch noch mal ganz kurz erwähnen, dass ich gestern im Kino war und es mir supergut gefallen hat. Wollte ich nur mal kurz erwähnen!!!

zuckerwattewolkenmond - 26. Dez, 23:56

Der Film

ist mir auch schon ins Auge gesprungen. Falls ich ihn mir nicht im Kino anschaue, dann auf alle Fälle auf DVD. Eine Schokoladenkugel habe ich im International noch nie geschenkt bekommen. Ich gehe wahrscheinlich immer zur falschen Zeit hin. ;o)

g a g a - 27. Dez, 00:05

Das mit der Kugel war bestimmt wegen Weihnachten. Eine knallharte Marketing-Geschichte, eiskalt berechnet! Tatsächlich bin ich nun sogar so weit manipuliert, dass ich unbedingt empfehlen würde, den Film dort anzugucken. Auch wegen der Original-Tonspur plus gut lesbaren Untertiteln und viel Beinfreiheit und überhaupt. Guck ihn dir bitte im Kino an, wegen der superschönen Bilder.
g a g a - 27. Dez, 00:10

Achtung: wichtig wichtig:
ich musste editieren: ich habe mich im Eifer des Gefechts vertippt: mein Platz war natürlich nicht in der ersten Reihe, wo man ja überhaupt nichts erkennen kann, sondern profimäßig in der letzten Reihe!

g a g a - 27. Dez, 00:23

P.S.
Heute war ich auch wo, aber ich kann noch nicht darüber bloggen, das würde die Wirkung von diesem Blogeintrag schmälern. Ich möchte den Eintrag erst wirken lassen. Ein kleiner Cliffhanger, damit der Leser wieder vorbeischaut!

g a g a - 27. Dez, 03:26


arboretum - 27. Dez, 10:29

Als ich das Interview mit Jim Jarmusch im Tagesspiegel las, musste ich an Sie denken. Dass Sie sich den Film bestimmt anschauen. Werde ich auch noch machen, natürlich im Kino und hoffentlich im Original.

g a g a - 27. Dez, 11:34

Oh, wirklich... Die Originalstimmen sind hier einfach berührender als die Synchronstimmen. Ich bin sonst keine hardcore-Original-Version-Fetischistin. Es gibt sogar Filme, in denen mich die hervorragenden Synchronstimmen mehr berühren als die echten. Zum Beispiel bei "Die Brücken am Fluss", der überragend synchronisiert ist und auf einen übertrieben italienischen Akzent bei Streep verzichtet, was im Original ein bißchen zu folkloristisch auf mich wirkt und mich von der Geschichte ablenkt, auch wenn ein Akzent schlüssig wäre, da sie ja aus Italien stammen soll, in der Rolle. Aber auch schon Jahrzehnte her, also könnte sie genauso gut weitgehend akzentfrei englisch sprechen.

In dem schönen Film von Jarmusch gibt es allerdings auch etwas, das ich herausschneiden würde. Die ganzen Szenen mit dem Besuch der überdrehten, ziemlich nervigen Schwester, eine nicht sehr geistreiche Partymaus, die auch nicht sehr originell besetzt wurde. Diese halbe Stunde hat mich ein bißchen aus meinen Träumen gerissen. Aber dann gegen Ende ab dem Clubkonzert hat er noch mal die Kurve gekriegt. Danach war die dumme Schwester auch weg. Ich denke, Jarmusch dachte nach einer Stunde Film, er müsste irgendeine erzählerische Dynamik in das Ganze bringen, auf mich wirkt der Besuch der Schwester seltsam aufgesetzt, sinnlos. Jetzt, zwei Tage später, wirken die Bilder immer noch nach. Die Partymaus ist weitgehend vergessen. Ein schöner Film.
Treibgut - 29. Dez, 17:55

Super

.... schöne Zähnchen! Kein Wunder, dass dir die Wohnungen im Film gefallen haben. Das Ambiente, die Musik, das tote Detroit gefielen mir auch am Film, aber insgesamt sind mir Jarmusch-Filme - und dieser macht da keine Ausnahme - wohl zu langsam inszeniert. Vielleicht fehlte mir auch der Wein - und ein anderes rotes Gesöff wurde im Kino meiner Wahl auch nicht angeboten.

g a g a - 29. Dez, 18:15

Danke für das tolle Kompliment zu meinen Zähnen! Langsam ist er, der Film. Als ich dann gerade so schön sediert in meinem weichen Sessel hing, kam die quirlige Party-Schwester und hat meine kleine Meditation gestört. So sollte man den Film vielleicht sehen. Eine atmosphärische Erfahrung, aber natürlich kein Kinofilm mit herkömmlicher Dramaturgie im Sinne von Einleitung, Hauptteil, Höhepunkt und Schluss. Oder so ähnlich. Die Droge des Vertrauens begleitend zu konsumieren, kann dem Genuss des Films nur zuträglich sein. Ich glaube, wenn Keith Richards den Film anschauen würde, hätte er auch eine Kleinigkeit dabei. Rauchen ist im Kino allerdings nicht erlaubt, aber man könnte das ja auch kurz vor Filmbeginn regeln. Auch gut: selbst eine gute Flasche Wein und ein schönes Glas mitbringen. Habe ich auch schon zelebriert, bei anderen Filmen, wenn ich kein ultimatives Vertrauen in das Catering hatte. Daheim vor dem Fernseher sitzt man ja auch nicht zwei Stunden auf dem Trockenen. Das wäre ja furchtbar. Schrecklich. Ganz undenkbar.
g a g a - 29. Dez, 18:20

P.S.
Apropos Zähne:
unlängst habe ich gelesen, François Mitterrand hätte sich seine spitzen Eckzähne abschleifen lassen, um im Wahlkampf bessere Chancen zu haben. Käme für mich nicht in Frage! Lieber verzichte ich auf das Amt!

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