29. Mai 2014




Ich glaube, die Reihenfolge war: 2 große Schlucke Williamsbrand am Küchentisch, 1 großes Bier im Rüdigerhof, 2 Gläser Weißwein im Motto am Fluss, 1 Bier, 1 Birnenschnaps, noch ein Bier und evt. noch ein Bier im Philosoph. Dazu ungefähr fünf bis sechs von Victor Selbstgedrehte mit schwarzem Tabak der Sorte "Egalité" über den Abend verteilt. Als Victor noch ein Bier bestellen wollte, habe ich so ein inneres Schwanken bemerkt und mich für bettschwer erklärt. Ich bin mit einem Taxi heimgekommen, kann mich aber überhaupt nicht mehr an den Taxifahrer erinnern. Gut gelaunt habe ich noch gebloggt und dann war es ungefähr halbfünf, als ich ins Bett gesunken bin, leicht taumelig und schwer wie ein Wackerstein. Ich war dann auch gleich weg. Ich rede immer noch von dem Abend vorher, dem elften Mai, ein Sonntag. Ich weiß noch genau, dass ich mich noch in Berlin innerlich ermahnt habe, dass ich darauf achten müsste, nicht jeden Abend hemmungslos bis in die Puppen zu feiern, weil das dann eventuell zu Folge-Beschwerden am nächsten Tag führen könnte, was dann das Erlebnispotenzial tagsüber mangels Wohlbefinden stark einschränken könnte. Von der Problematik, zeitig aus den Federn zu kommen, gar nicht zu reden. Mit anderen Worten: genau das ist gleich am ersten Abend und dem darauffolgenden Tag eingetroffen. Ich habe mehr oder weniger einen kompletten Tag in Wien verplempert, verloren, weil ich dermaßen regenerationsbedürftig war, dass ich schon Mühe hatte, überhaupt aufzustehen. Aus dem Augenwinkel sah ich durchs Fenster in meinem Schlafzimmer den blauen Himmel. Auch das noch. Ausgerechnet jetzt blauer Himmel, strahlende Sonne. Was ich jetzt gar nicht verkraften konnte. Genau das Wetter, das man sich die ganze Zeit wünscht und dann brummt der Kopf und man möchte eigentlich nur im abgedunkelten Zimmer komplett bewegungslos verharren, bis das Elend vorbei ist. Irgendwie habe ich es noch geschafft, dieses eine Foto von dem Blick aus dem Fenster zu machen, das war laut Metadaten von dem Bild genau um 14 Uhr. Ich habe mich irgendwie aus dem Bett bewegt zum Bad, wo die Tasche mit dem Aspirin war. Zwei eingeworfen, nochmal hingelegt. Nur minimale Besserung, draußen immer noch Sonne. Unter die Dusche, irgendwie zurechtgemacht, Kaffee gekocht, oben in der Küche. Erstmal die Treppe bewältigen. Der Kaffee hat sich auch nicht so recht mit den übrigen Flüssigkeiten in meinem Magen vertragen, ich musste mich fast dazu zwingen, in kleinen Schlucken zu trinken. Nochmal Aspirin nachgelegt. Wasser getrunken. Einen Apfel, der noch aus Berlin in meinem Gepäck war, gegessen. Wieder hingelegt. Was für ein tolle Geschichte, mir wird schon beim Beschreiben wieder ganz schwummrig. Gut, das war jetzt plastisch genug. Ich hatte noch unter meinem nächtlichen Blogeintrag aus dem Augenwinkel einen Kommentar von speedhiking registriert, wo er irgendwas von einem tollen Frühstück schreibt, das ich am nächsten Tag im Kaffeehaus einnehmen sollte. Ich war nicht einmal fähig, darunter einen Antwortkommentar zu schreiben. Und wie hätte das auch gewirkt, was hätte ich denn schreiben sollen? "Danke für den Vorschlag, aber mir ist kotzübel, weil ich alles Mögliche durcheinandergesoffen habe, und das letzte was ich sicher machen werde ist, in dem Zustand in ein Kaffeehaus zum Frühstücken zu gehen! Schönen Dank auch! Aber schön, dass wir mal drüber gesprochen haben!" Ist doch peinlich. Ich war mir selber peinlich. Wie kann man so saudumm sein! Einen ganzen Tag verloren. Er war zwar noch nicht zu Ende aber ich war kurz oben, draußen auf der Terrasse gewesen und es war nun schon Nachmittag, immer noch herrliche Sonne und ich habe es noch nicht einmal geschafft, wenigstens ein paar schöne Bilder von der sonnigen Terrasse zu machen, weil mir die Kamera zu schwer in der Hand war. Alles war mir zu schwer. Jammer, jammer. Usw. usf.

Mein Blick wanderte immer wieder zu meinem kleinen Reisewecker. Schon war es halbvier am Nachmittag. Ich nahm mir meine Schminksachen und begann in Zeitlupe, im Schneidersitz auf dem Kokosteppich im Wohnzimmer sitzend, vor einem aus einem Kerzenhalter und einem Handspiegel konstruierten Stand-Spiegel, Vitalität und Frische ins Gesicht zu malen. Gleich nochmal zwei Aspirin nachlegen. Zwischendurch hatte ich es geschafft, mal kurz in mein gmx-Postfach zu schauen, wo dann auch direkt zwei Mails von Duke waren, der in der einen Mail einen epischen Aufsatz über Wien gepostet hatte (Betreff: "Liegengebliebenes Mehlfragment über Wien"), eine Antwort auf eine Mail von mir, die ungefähr ein Vierteljahr zurücklag, als die Idee geboren wurde, sich in Wien zu treffen. Weil er Wien im Gegensatz zu mir doch ein bißchen kennt, hat da immer wieder mal zeitweise gelebt. Also gut, das war die eine Mail, die ich ob ihrer Länge, zu lesen vertagen musste. In der anderen stand eine leichter lesbare, kurze Botschaft zu seiner Ankunft - Moment ich gucke mal nach - "Ankunft sieht gut aus - (...) wenn alles gut geht, kurz nach 16:30 am Wiener Westbahnhof eintreffen. (...) kurzen Imbiss zwischen die Kiemen klemmen (...) dann sofort auf den Weg zu unserer Wiener Residenz machen (...). müsste ich so rund um 17 Ticktack (oder wenig später) am Quartier sein." Also siebzehn Uhr. Plus x. Wieviel Zeit habe ich noch, von den Toten aufzuerstehen? Es war ungefähr sechzehn Uhr, als ich mir die Frage stellte. Wasser trinken, ich muss mehr Wasser trinken, damit das Aspirin besser seine Wirkung entfalten kann! In einer Mail vorher hatte ich Duke vorgeschlagen, nach seiner Ankunft, wenn er seine Siebensachen abgelegt hat, erstmal zusammen einkaufen zu gehen, damit ein bißchen was zum Knabbern da ist. Ich war ja außerdem noch nicht einmal vor die Tür gekommen, an diesem schönen Tag. So hätte ich zumindest ein bißchen die Gegend um die Wohnung herum gesehen und könnte das auch unter "Wien entdecken" verbuchen. Ein wenig besser ging es mir immerhin doch. Ich schaute noch mal in den Spiegel, welchen Anblick ich bieten würde, wenn es dann, demnächst, ganz bald klingelt. Mir ging durch den Kopf, wann, und in welcher Situation wir uns zuletzt gesehen hatten. Das war zwar keine sechsundzwanzig Jahre her, wie bei Victor, aber immerhin fast zwölf Jahre. Als er nach seinem letzten Besuch bei mir in Berlin, im Dezember 2002, meine Wohnung verlassen hatte, auf dem Weg zum Bahnhof, zu seinem Zug. Weil ich so ein bißchen physisch durch den Wind war, neben mir stand und von dem vielen Aspirin auch ein bißchen sediert war, entwickelte ich gar keine so große Aufregung, wie es sonst bei mir der Fall ist, wenn Begegnungen, gerade nach langer Zeit, unter besonderen Konstellationen anstehen. Ein beachtlicher Teil meiner Aufmerksamkeit lag bei meinem physischen Zustand und der Rest bei unserem Wiedersehen.

ZIemlich genau um 17:30 Uhr hörte ich die Klingel. Den Ton kannte ich nun schon, nachdem Victor am Abend vorher geklingelt hatte. Ich ging die Treppe nach oben, ich war gerade unten in meinem Zimmer und war eigentlich halbwegs in Ordnung. Als ich die Tür öffnete, stand da also dieser Mensch, den ich so lange nicht gesehen hatte, und er hatte noch genug Merkmale, die ein Wiedererkennen ermöglichten. Kein Fremder. Ich kannte ja auch von ihm neuere Aufnahmen, dank Internet. Meiner Erinnerung nach habe ich gleich vorangeschickt, dass ich noch etwas an einem Kater laboriere und die leichte Verlegenheit, die sich bei solchen Wiedersehensbegegnungen immer anfänglich einstellt, durch übersprungshandlungsartiges, wortreiches Erklären der Wohnräume kompensiert. Nicht ohne Stolz präsentierte ich die verschiedenen Sanitärräume. Ich hatte mir das Zimmer mit dem "Master Bedroom" und dem "Master Bathroom" ausgesucht, und ihm das zweite, ebensogroße Zimmer mit separater Dusche und separatem WC zugedacht. Damit man sich nicht in die Quere kommt, gerade im Badezimmer kann ich das gar nicht haben. Da war also überhaupt keine Gefahr. Nachdem wir ein bißchen am Küchentisch saßen, aber nur kurz, brachen wir auf zum Einkaufen. Es gab reichlich Supermärkte in der Umgebung, und wir haben mehrere frequentiert. Auch mehrere Flaschen Wein landeten im Einkaufswagen, obwohl es noch außerhalb meiner Vorstellungskraft war, wie ich so etwas jemals wieder trinken könnte. Aber man kennt sich ja. Kaum geht es einem wieder gut, ist man bereit für neue Taten, auch in Sachen Getränke. Was für ein langer Eintrag zu einem Tag, an dem ich doch recht tatenlos war. Als die Einkäufe verstaut waren, haben wir geguckt, wo man in der Nähe essen gehen könnte. Es war dann zwar schon etwas spät, weil wir uns immer wieder Sachen erzählen mussten und die Zeit vegessen haben. Da hat Duke dann auch gefragt, ob er mich mal fotografieren darf. Ich war überhaupt nicht auf fotografiert werden eingestellt, aber hätte es kleinlich und divenhaft gefunden, es abzuwehren. Meine Haltung war auch ein bißchen untypisch für "Fotografiert werden", ich saß mit so blöd verschränkten Armen am Tisch, das Gegenteil von einer Pose, wo man gut rüberkommt. Duke hat mir die Bilder überlassen, die er da und auch später von mir gemacht hat, da bin ich ihm doch dankbar, weil es selten Bilder gibt, die andere von mir machen. Es sind die Bilder in diesem Album. Dachte mir, interessant, wie unterschiedlich der Ausdruck der Gesichtshälften ist. Es heißt, die linke Gesichthälfte (vom Objekt aus gesehen) würde die authentische Verfassung zeigen und die rechte Hälfte, wie man wirken möchte, was man als Verfassung kommunizieren will. Vielleicht ist da ja was dran. Ich habe ihn an diesem Abend gar nicht fotografiert, ich war so absorbiert von unserer Unterhaltung und kam gar nicht auf die Idee. Man muss es auch nicht überstürzen, das würde sich schon noch ergeben. Nach dem Intermezzo am Esstisch, sind wir doch noch in unserem vierten Bezirk in einem Lokal gelandet. Das war zwar nicht die Riesensensation, etwas Italienisches, Margareta, aber man hat gut gesessen und es gab eine Pfeffermühle in Griffweite, die wir eifrig benutzt haben. Ich glaube, in dem Lokal hatten wir Vitello Tonnato als Vorspeise und danach... weiß ich nicht mehr, er vielleicht was mit Scampi und ich vielleicht einen Fisch. Aber war ganz gut. Wir waren irgendwann die letzten im Lokal und mussten dann auch gehen. Danach ein ungeplanter Spaziergang durch die dunklen Straßen, ein bißchen verlaufen, auf dem Weg zu unserer Bleibe und dann noch lange Gespräche bis weit in die tiefe Nacht.

: : alle Wiener Geschichten : :

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